Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
hätten wir einen Vorsprung von zehn oder fünfzehn Minuten herausholen können, gesetzt, es wäre uns gelungen, die Höhle zu verlassen und den Orbit zu erreichen, ohne von seinen Geschützen vom Himmel geholt zu werden. Aber ich wollte wissen, was die Sineser vorhatten.
Über eine Stunde lang geschah nichts. Wir drückten uns in den Schatten des Höhleneingangs und wagten kaum zu atmen, da wir sicher waren, dass die Besatzung des Schiffes die Umgebung in der größtmöglichen Auflösung durchleuchtete. Ganz langsam wurde es hell. Der Himmel nahm einen opalisierenden Glanz an. Die hohen Wolkenschichten glühten flamingofarben auf. Dann stieg in unserem Rücken die Sonne hoch und strahlte die schiefergrauen Flanken des riesigen Schiffes an. Schließlich entwickelte sich eine Bewegung. Staubwolken stiegen zu Füßen des gigantischen Stahlleibs auf. Kleine Trupps von sechs oder acht Mann, manche zu Fuß, andere in leichten Scootern, schwärmten aus, um die Gegend zu erkunden. Es wurden auch einige Drohnen ausgesetzt, die pfeifend davonschossen. Das alles verzögerte einen möglichen Start des Schiffes und verschaffte uns einen weiteren Vorteil. Jetzt kam alles auf das richtige Timing an.
Während der Tag immer gleißender wurde und die bedrohliche Szene immer greller ausleuchtete, war ich mir gewiss, dass die Sineser es nicht darauf abgesehen hatten, uns zu töten. Sie mussten uns längst geortet haben. Die Restenergie des Shuttles und selbst die Abstrahlungen unserer Anzüge waren auf diese Entfernung überdeutlich. Es war nicht vorstellbar, dass wir ihren Instrumenten verborgen geblieben sein konnten. Wenn sie gewollt hätten, hätten sie den Bergzug, in dem wir uns versteckten, unter Feuer nehmen können. Eine Salve aus ihren Geschützen hätte nur noch glasig zerschmolzene Schlacken von dem Massiv übrig gelassen.
Sie wollten uns nicht umbringen, und ich vermutete, dass sie uns nicht einmal gefangen nehmen wollten. Sie waren lediglich das Abwarten leid und waren heruntergekommen, um die Sache etwas zu beschleunigen. Indem sie den Anschein erweckten, uns jede Minute aufspüren zu können, wollten sie uns zur Flucht verleiten, um sich dann ganz gemächlich wieder an unsere Fersen zu heften. Dass sie sogar Mannschaften aussteigen und in der Landschaft herumschweifen ließen, belegte nur, wie sicher sie sich darin waren, unsere Fährte wiederfinden zu können, auch wenn sie uns einen großzügigen Vorsprung einräumten.
Langsam schob ich mich zum Höhleneingang vor, bis ich gerade noch im Schatten stand. Das vom Berggipfel abgeschnittene Tageslicht fiel wie ein scharfes Beil vor meinen Füßen herunter.
»Bist du meschugge«, zischte Jennifer hinter dem Felsblock.
Ich hob beschwichtigend die Hand und spähte in die Ebene hinaus. Eines der Kommandos kam direkt auf uns zu. Sie mussten mich auf ihren Instrumenten haben.
»Mach das Shuttle startklar«, rief ich Jennifer über die Schulter hinweg zu.
Sie löste sich unschlüssig aus dem Schutz des Felsens. »Und du?«, fragte sie, während sie gehetzte Blicke in die Ebene hinunter warf.
»Ich halte sie noch ein bisschen hin«, gab ich zurück. »Wollen doch mal sehen, wie viel Schneid sie wirklich haben.«
Jennifer hatte sich an meine Seite gespielt. Sie legte mir den Arm auf die Schulter und lehnte sich gegen mich. Fünf Sekunden lang waren wir unsterblich. Wir standen in der grellen Sonne und sahen ungedeckt auf den sinesischen Stoßtrupp hinaus, der langsam über das Geröll auf uns zukam. Es konnte schon nicht mehr mit rechten Dingen zugehen, dass sie uns noch nicht gesehen hatten.
Dann klopfte Jennifer mir mit der Hand auf den Rücken. Sie drückte mir ihre Pistole in die Hand und verschwand mit geräuschlosen Schritten in der Höhle. Ich schlich mich weiter nach vorne und suchte die Deckung eines brusthohen Felsens. Gemächlich stellte ich beide Strahlenwaffen auf größte Reichweite ein. Ich legte auf die Sineser an, die sich schwankend und grunzend über den unebenen Untergrund mühten. Offensichtlich waren sie viel zu sehr mit sich selbst und den unzivilisierten Bedingungen auf dieser Welt beschäftigt, als dass sie auf uns hätten acht geben können.
Aus meinem Rücken hörte ich das charakteristische Geräusch eines anlaufenden Feldgenerators. Jennifer hatte das Shuttle erreicht und die Triebwerke angeworfen. Allerdings dauerte es noch einige Zeit, bis das Schiff startklar war. Und die Feldemissionen machten es jetzt endgültig unmöglich, uns zu
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