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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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ausgerüsteten Filmemachers sein könnten, eines Guerilla-Künstlers irgendwo dort draußen in der Nacht des Internet. Daß das Material, samt Darstellern, Sets und allem, womöglich mittels irgendeiner Form von CGI generiert wird und allein der virtuellen Hand
    eines heimlichen und vielleicht gänzlich unbekannten Genies
    entstammt, ist inzwischen in beiden Lagern eine weit verbreitete Obsession, obwohl die Komplettisten das Ganze natürlich in der Vergangenheitsform formulieren.
    Jetzt aber wettert Parkaboy gegen Mama Anarchias Hang,
    Baudrillard und diese ganzen anderen nervtötenden Franzosen
    zu zitieren, und Cayce klickt automatisch auf Beantworten und läßt ihren Standard-Öl-auf-die-Wogen-Text ab: So was passiert immer dann, wenn wir vergessen, daß es dieses Forum nur gibt, weil Ivy bereit ist, ihre Zeit und Energie darauf zu verwenden, und Ivy und die meisten von uns finden es gar nicht gut, wenn du oder sonst jemand hier rumbrüllt. Ivy ist unser Host, und wir sollten es ihr so angenehm wie möglich machen und nicht zu selbstverständlich davon ausgehen, daß es das F:F:F immer geben wird.
    Sie klickt auf »Post« und sieht unter seiner Mitteilung ihren Namen und den Titel ihres Postings erscheinen: CayceP und Halt an dich.
    Da sie und Parkaboy befreundet sind, kann sie sich, im Unterschied zu anderen, so was erlauben. Sie hat inzwischen so eine Art Schiedsrichterfunktion, die insbesondere darin besteht, Parkaboy zurückzupfeifen, wenn er, wozu er nun mal neigt, irgend jemanden attackiert. Ivy hat zwar keine Mühe, ihn zurechtzustauchen, aber Ivy ist Polizistin in Seoul, mit langen Dienstzeiten, und kann nicht immer im Forum präsent sein, um zu schlichten.
    Sie klickt automatisch auf »Reload«, und seine Antwort ist
    bereits da: Wo bist du? nt.
    London. Beruflich, nt.
    Das alles ist ungemein beruhigend. Klarer Fall von Psycho—
    Prophylaxe.
    Das Telefon neben dem Cube klingelt, Spiegelwelt—
    Klingeltöne, die sie schon in entspannten Situationen nervig findet. Sie zögert, nimmt dann ab.
    »Hallo?«
    »Cayce, meine Liebe, hier ist Bernard.« Stonestreet. »Helena und ich wollten fragen, ob Sie vielleicht Lust auf ein kleines Abendessen hätten.«
    »Danke, Bernard.« Sie guckt auf die Schreibtischbarrikade
    vor der Tür. »Aber ich fühle mich nicht besonders.«
    »Jetlag. Sie können ja mal Helenas Pillen probieren.«
    »Wirklich nett von Ihnen, Bernard, aber –«
    »Hubertus kommt auch. Er wäre schrecklich enttäuscht, Sie
    nicht zu sehen.«
    »Treffen wir uns nicht am Montag?«
    »Er muß morgen abend in New York sein. Kann nicht zu unserem Meeting kommen. Sagen Sie doch ja.«
    Das ist eins dieser Gespräche, die Cayce den Eindruck vermitteln, daß die Briten neben der Ironie auch passiv-aggressive Methoden kultiviert haben. Wenn sie die Wohnung erst mal verlassen hat, kann sie die Peripherie nicht mehr sichern, aber andererseits repräsentiert dieser Vertrag mit Blue Ant ein gutes Viertel ihres voraussichtlichen Jahresumsatzes.
    »PMS, Bernard, ganz unverblümt gesagt.«
    »Dann müssen Sie erst recht kommen. Dagegen hat Helena
    das absolute Wundermittel.«
    »Haben Sie’s getestet?«
    »Was?«
    Sie gibt auf. Gesellschaft, gleich welcher Art, scheint nicht das schlechteste. »Wo wohnen Sie?«
    »Docklands. Sieben Uhr. Ganz informell. Ich schicke einen
    Wagen. Freue mich sehr, daß Sie kommen. Bis dann.« Stonestreet beendet das Gespräch auf so eine abrupte Art, die er sich vermutlich in New York abgeguckt hat. Normalerweise klingen die Spiegelwelttelefonate mit einem fast zärtlichen Wechselge-sang aus, den sie immer noch nicht hinkriegt.
    Das war’s mit der Psychoprophylaxe.
    Drei Minuten später – nachdem sie in Google unter »Schlüsseldienst Nord-London« fündig geworden ist – hat sie jemanden von einer Firma namens Judge Advocate Locks an der Strippe.
    »Sie arbeiten samstags sicher nicht«, eröffnet sie hoffnungsvoll das Gespräch.
    »Sieben Tage die Woche, rund um die Uhr.«
    »Aber vor heute abend können Sie bestimmt nicht hier sein,
    oder?«
    »Wo sind Sie?«
    Sie nennt die Adresse.
    »Fünfzehn Minuten«, sagt er.
    »Sie nehmen keine VisaCard, oder?«
    »Doch.«
    Beim Auflegen wird ihr klar, daß ihr durch diesen Anruf Doroteas Nummer flötengegangen ist. Sie hätte sie dem Telefon zwar nicht unbedingt zu entlocken gewußt, aber immerhin war
    die Nummer doch noch der substantiellste Beweis für das
    Ganze, abgesehen von den Asiengirls im Browser-Memory. Sie
    drückt

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