Mustererkennung
sie diese Einschränkung ihrer Autonomie.
»Bis dann«, sagt er.
Während sie auf der Suche nach einem Filter-Kaffee-Set in dem Snacksortiment auf der Minibar herumkramt, fängt das Wasser an zu kochen.
Der Fitnessraum des Hotels, ein Saal, der so groß ist, daß er eigens dazu geschaffen scheint, als Schulbeispiel für die Innen-raumperspektive zu dienen, hat einen eigenen Pilates-Reformer, eine pseudo-klassische japanische Version in schwarzem Lack-holz, mit einem Bezug, der aussieht wie Haifischhaut. Sie schafft es, ihr Work-out zu absolvieren, zu duschen und sich die Haare zu waschen, zu packen und um halb neun in der Lobby zu sein.
Kurz darauf erscheint Boone in seinem schwarzen Pferdele—dermantel, mit dem Lederköfferchen und einer dieser Filson—Outfitter-Taschen, die aussehen wie L.L.Bean-Taschen auf Steroiden.
Sie nimmt ihre schwarze koreanische No-name-Nylontasche, und dann gehen sie zusammen an dem Bambushain vorbei zum Lift.
Sie wird von einem heißen Waschlappen wach, der ihr gereicht wird. Im ersten Moment glaubt sie, daß sie immer noch auf dem Flug nach Tokio ist und alles nur ein Traum war.
Das ist erschreckend, und ihr schießt der Schmerz in den Nacken, weil sie sich so hektisch umschaut, und dann sieht sie, daß Boone tatsächlich in dem Sitznest neben ihrem liegt, lang ausgestreckt und offenbar schlafend; er wirkt irgendwie so unkenntlich gemacht, wie alle Menschen, wenn sie eine Augenbinde um haben.
Im Zug nach Narita hatten sie sich nicht viel zu sagen. In der Lounge hat sie dann ein Schläfchen gehalten, nach der Sicher-heitskontrolle, die eine Art Computertomographie der Schuhe ebenso einschloß wie das Beantworten von Fragen vor einem Infrarot-Gerät, das minimale Veränderungen der Hauttempera—tur um die Augen registriert, was auf der Theorie basiert, daß eine unwahre Antwort auf die Frage, ob man sein Gepäck selbst gepackt hat, unweigerlich so was wie ein unsichtbares Erröten hervorruft. Aber die Japaner glauben ja auch, daß die Persönlichkeit durch die Blutgruppe determiniert ist, oder haben es zumindest geglaubt, als sie das letzte Mal hier war. Boone war allerdings beeindruckt und erklärte, bestimmt würden sie diese Art von Lügendetektoren bald auch in Amerika haben.
Beim Boarding hat sie ihm erzählt, sie habe noch etwas von Taki bekommen, via Parkaboy, sei jetzt aber zu müde, um es ihm genauer zu erklären. Sie hat ihm versprochen, es ihm zu zeigen, sobald sie noch eine Runde geschlafen habe.
Was soll das, fragt sie sich, warum rückt sie nicht einfach damit heraus? Es hat damit zu tun, daß ihre Arbeitsbeziehung noch so neu ist, aber auch, das ist ihr klar, mit etwas, das sie in dieser Wohnung in Hongo empfunden hat. Und das sie sich nicht zu genau angucken will. Aber sie will auch Zeit haben, um das mit der T-Bone-Stadt zu verdauen. Und irgendwie findet sie ihn auch einfach aufdringlich.
Andererseits ist da dieses T-Bone-Gebilde, das es zu entschlüsseln gilt, denkt sie, während sie ihre Liegefläche in einen Liegesessel verwandelt und die Tasche mit dem iBook vom Boden hochhievt. Sie bootet, findet Parkaboys jpeg und macht es auf.
Es ist eher noch rätselhafter als beim ersten Mal.
Dieser Taki. Kann es sein, daß er sich das alles nur ausge—dacht hat, um Keiko zu imponieren? Aber Parkaboy und Darryl haben ihn auf einer japanischen Website aufgestöbert, wo er schon einige Zeit vorher erwähnt hatte, daß in einem der Clips etwas verschlüsselt sei. Da hatten sie ja Keiko noch gar nicht erfunden. Nein, Taki ist echt. Taki ist zu traurig, um nicht echt zu sein. Sie sieht ihn vor sich, wie er, als Keiko durch ihre Mails für ihn zunehmend Gestalt annimmt, zu irgend jemandem geht und irgendwie, vielleicht um einen extremen Preis, an dieses Bild kommt, das aus dem weißen Gleißen extrahiert wurde.
Doch in seiner Schüchternheit und Vorsicht hatte er es zu ihrem Treffen nicht mitgenommen. Er hatte nur diese eine Zahl dabei. Dann schlug die Photoshop-Version von Judy Tsuzuki ein, und er ging nach Hause und schickte Parkaboy diese Datei in der Annahme, sie seiner großäugigen, clydesdalebeinigen Angebeteten zu schicken.
Sie denkt an Ivy in Seoul, die Gründerin des F:F:F. Was würde Ivy mit all dem anfangen?
Sie runzelt die Stirn, weil ihr erstmals bewußt wird, wie die Tatsache, daß sie jetzt zusammen mit Boone Chu für Bigend arbeitet, ihr Verhältnis zum F:F:F und zur Cliphead—Community deformiert hat. Nicht einmal Parkaboy, der bei dieser
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