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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Mittelsmann aus Zypern, der auch der Betreiber
    von armaz.ru ist. Sie überlegt, welche russischen Elemente sonst
    noch in der Diskussion über die Clips im F:F:F aufgekommen sind.
    Sie schiebt die F:F:F-CD-ROM ein, die sie noch immer nicht für Ivy kopiert hat, geht auf die Suchfunktion. Rußland*
    Zu ihrer Überraschung kommt ein Posting, das sie selber
    ganz am Anfang geschrieben hat, ziemlich weit unten innerhalb eines Threads, der damit anfängt, daß jemand die Möglichkeit anspricht, der Filmemacher könnte ein bekannter Cineast sein, der heimlich in der Anonymität arbeitet. Für mich funktioniert das nicht. Nicht bloß, weil wir uns offenbar nicht darüber einigen können, wer das gegebenenfalls sein sollte, sondern weil es zu einfach ist, zu naheliegend. Könnte es nicht zum Beispiel ein russischer Mafiaboss mit einem Hang zu künstlerischer Selbstentfaltung sein, der ein bislang unentdecktes Talent sein eigen nennt und das nötige Kleingeld hat, um die Filme herzustellen und zu verbreiten? Zugegeben, das ist ein bißchen weit hergeholt, aber doch nicht vollkommen unmöglich. Ich will damit sagen, daß wir meiner Meinung nach auch die abwegig—sten Varianten in unsere Überlegungen einbeziehen müssen.
    Sie kann sich kaum noch entsinnen, daß sie das irgendwann gepostet hat. Bis jetzt hatte sie nicht die technischen Mittel, sich ihre alten Postings nochmals durchzulesen, und normalerweise wäre sie auch nicht auf die Idee gekommen. Jetzt aber liest sie weiter und verfolgt den Thread bis zum Ende.
    Und sieht, daß der nächste Thread mit einem Posting anfängt, das, wie sie sich jetzt erinnert, die allererste Wortmeldung von Mama Anarchia war.
     
    Es geht sehr wohl um die Story, wenn auch in
    einem Sinne, mit dem hier anscheinend niemand
    etwas anfangen kann. Versteht ihr denn nichts
    von Erzähltechnik? Wo bleiben denn Derridas
    ›Spiel‹ und Exzessivität? Foucaulds Grenzer—
    fahrung? Lyotards Sprachspiele? Lacans Vor—
    stellungswelten? Wo ist denn das Engagement
    für die Praxis, die Positionierung von Jame—
    sons Nostalgie und Verzweiflung sowie Haber—
    mas’ Angst vorm Irrationalismus – als Panik—
    diskurse, die die Niederlage der Hegemonie der
    Aufklärung in der Frage der Kulturtheorie
    signalisieren? Aber nein: die Diskurse in
    diesem Forum sind hoffnungslos rückläufig.
    Mama Anarchia
     
    Na bitte, denkt Cayce, Mama hat schon damals Klartext geschrieben. Und sie hat, wie Cayce nicht entgangen ist, das Wort »Hegemonie« benutzt, ohne das Parkaboy kein Posting von
    Mama als wirklich echt anerkennt. (Zur absolut zweifelsfreien Identifizierung verlangt er allerdings, daß auch noch das Wort »Hermeneutik« vorkommen muß.) Aber nach CPNZ ist jetzt Zeit zum Schlafen, und darum
    wirft sie die CD-ROM aus, fährt das iBook runter, packt es weg und schließt die Augen.
    Und träumt von großen, dicken Männern, Fremden, die aber irgendwie Ähnlichkeit mit Donny haben, in ihrer New Yorker Wohnung. Sie ist auch dort, aber offenbar können die sie weder sehen noch hören, und sie will, daß sie weggehen.
     
    In Scheremetjewo-2, sobald man erst mal den uniformen, sehr siebzigerjahrebeigen Zoll-und Einreisebereich hinter sich hat, ist buchstäblich jede freie Fläche mit Werbung zugepflastert.
    Allein schon auf ihrem Gepäckkarren sind mindestens vier verschiedene Reklameaufkleber, einer von Hertz und drei
    russische. Wie bereits in Japan fällt ihr auf, daß die Unkenntnis der Sprache einen gewissen Schutz bietet. Wofür sie dankbar ist, zumal die Dichte der Werbesprache hier, zumindest auf diesem Flughafen, durchaus mit der in Tokio mithalten kann.
    Ein Zeichen, das sie lesen kann, befindet sich über einem Ding, das sie unter der Bezeichnung ATM kennt, BANKOMAT
    steht darauf – vermutlich würden so die ATMs in Amerika
    heißen, wenn sie in den fünfziger Jahren erfunden worden wären. Sie nimmt statt der Blue-Ant-Karte lieber ihre eigene, um sich erst mal mit Rubeln einzudecken, und dann schiebt sie endlich ihren Karren nach draußen und atmet zum erstenmal russische Luft mit wieder einem anderen nationaltypischen Duft nach Abgasen. Sie sieht eine unordentliche Ansammlung von Taxis und weiß, daß sie jetzt die Aufgabe hat, ein »offizielles« zu finden.
    Was ihr auch bald gelingt, und schon verläßt sie Scheremetjewo-2 in einem ziemlich betagten waidmannsgrünen Mercedes Diesel, dessen Armaturenbrett ein kompliziert gemustertes weißes Häkeldeckchen schmückt, auf dem eine Art

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