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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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holen und ab nach oben.
    Dort schafft sie es gerade noch, den Futon auseinanderzu—wickeln, sich draufzulegen. Jetzt fällt ihr ein, daß Boone sie gebeten hatte, sich noch mal zu melden. Sie holt ihr Handy raus und drückt per Schnellwähltaste die erste seiner Nummern.
    »Hallo?«
    »Cayce.«
    »Wo sind Sie?«
    »Bei Damien. Er ist hier.«
    Pause. »Das ist gut. Ich habe mir schon Sorgen um Sie gemacht.«
    »Ich hab mir auch Sorgen gemacht, als ich gehört habe, was für einen Mist Sie Bigend vorhin im Auto erzählt haben. Was sollte das denn?«
    »Reine Improvisation. Man kann nicht ausschließen, daß er Bescheid weiß, verstehen Sie?«
    »Wie denn?«
    »Wie ist akademisch. Die Möglichkeit besteht. Woher haben Sie das Handy, das Sie grade benutzen?«
    Er hat recht. »Und Sie dachten, er verrät sich irgendwie?«
    »Ich dachte, ich probier’s mal.«
    »Das schmeckt mir nicht. Auf diese Weise werde ich zur
    Komplizin gemacht, ohne daß Sie mir die Chance lassen, selber erkennt. Alles in allem war bei Hitler einfach die Grafikabtei-lung zu gut, und er hat absolut begriffen, was für eine Macht in Markenzeichen steckt. Heinzi wäre damals sicher bestens zurechtgekommen, obwohl sie nicht mal ihm zutraut, daß er’s geschafft hätte, Hitlers Leute zu übertrumpfen.
    Hakenkreuze und besonders die Tatsache, daß es in den Set—zereien für das »SS«-Zeichen eine eigene Type gab, rufen eine starke Reaktion hervor, ähnlich ihrer Tommy-Phobie, aber von der Richtung her noch schlimmer. Sie hat einmal vier Wochen in Österreich gearbeitet, wo diese Symbole nicht, wie in Deutschland, gesetzlich verboten sind; damals lernte sie, rasch die Straßenseite zu wechseln, sobald sie merkte, daß sie sich einem Antiquariatsschaufenster näherte.
    Die Nationalsymbole ihres Heimatlandes lösen nichts bei ihr aus, jedenfalls bis jetzt nicht. Und dafür war sie im vergangenen Jahr in New York sehr, sehr dankbar. Eine Allergie gegen Fah-nen oder Adler hätte bedeutet, komplett an die Wohnung gefesselt zu sein: eine Art semiotische Agoraphobie.
    Sie verstaut ihre Rickson oben im Gepäckfach, setzt sich hin, schiebt die Tasche mit dem iBook unter den Vordersitz. Die Beinfreiheit ist nicht schlecht, und bei diesem Gedanken er—greift sie plötzlich so was wie eine pseudonostalgische Sehnsucht nach Wins Version der Aeroflot: bösartige Stewardessen knallen einem labbrige Brötchen hin, und man kriegt eine kleine Plastiktüte, wo man seine Schreibgeräte reintun kann, eine wohlüberlegte Vorsichtsmaßnahme gegen den häufig auftretenden Druckabfall. Er hatte ihr erzählt, Polen sehe aus der Luft wie Kansas mit Zwergenlandwirtschaft aus; die Patch-workfelder so viel kleiner, das Land genauso platt und weit.
    Bald rollen sie zur Startbahn, die Plätze neben ihr sind leer, und ihr geht auf, daß sie Glück hatte, weil sie für kaum mehr Geld, als sie vorhin für das Expreßvisum bezahlen mußte, fast genausoviel Platz und Privatsphäre hat wie auf dem Flug nach Tokio und zurück.
    Magda, die anstelle von Voytek kam, um die Schlüssel abzuholen, weiß, wohin Cayce will, und ihre Mutter, derer sie sich endlich per E-Mail erbarmt hat, und Parkaboy. Diese drei Menschen wissen, daß sie abfliegt, aber jemand anders, den sie noch nicht kennt, weiß, daß sie kommt.
    Die Boeingturbinen wechseln die Tonart.
     
    Hi, Mom,
    ich hoffen du verzeihst mir mein Schweigen
    oder nimmst es zumindest nicht persönlich. Den
    Job, dessentwegen ich hier bin, habe ich abgeschlossen und bin vom Direktor/Besitzer des Unternehmens angeheuert worden, etwas direkt
    in seinem Auftrag zu machen – Kulturrecher—
    chen, genauer gesagt, im Zusammenhang mit
    gewissen neuen Ideen zum Vertrieb und zur
    Strukturierung von Filmen. Hört sich langweilig an , aber ich bin tatsächlich total fasziniert von der Sache, und das ist im großen und ganzen auch der Grund, weshalb du nichts von
    mir gehört hast. Außerdem glaube ich, es tut
    mir gut, mal eine Weile weg von New York zu
    sein und nicht soviel über Dad nachzudenken,
    und vielleicht habe ich auch darum nicht geschrieben. Ich weiß, wir sind uns einig, daß wir uns bei diesem EVP-Ding nicht einig sind,
    aber diese Mitschnitte, die du mir geschickt
    hast, sind für mich der reine Horror. Mir
    fällt keine ehrlichere Art und Weise ein, dir
    das zu sagen. Aber trotz allem habe ich neulich von ihm geträumt, und da hat er mir einen ganz bestimmten Rat gegeben, den ich befolgt
    habe und der sich als richtig erwiesen

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