Mutter des Monats
Haufen stinkender Altkleider zu stehen, ist echt nicht das Highlight meines Lebens.«
»O je. Tut mir leid. Bea meinte, am Kuchenstand würde sie dringender gebraucht.«
»Soso! Und warum hat sie nicht gemeint, dass auch ich am Kuchenstand dringender gebraucht würde, hm?«
»Ist doch egal. Solange jeder sein Teil beiträgt.«
»Ist es nicht!« Colette war so sauer, dass Heather richtig Angst bekam. »Manche sind nicht nur hier, um einen Beitrag zu leisten. Für manche ist das heute auch eine gute Gelegenheit für, na, du weißt schon …« Sie verzog das Gesicht und klimperte ein bisschen mit den Wimpern. Waren die etwa angeklebt?
»Sorry, aber ich verstehe nicht, was du meinst.« Heather musste jetzt wirklich zum Kuchenstand.
»Mensch, denk doch nach. Um ihm ein bisschen näher zu kommen.« Sie senkte die Stimme. »Tom«, flüsterte sie. »Tom Orchard. Und in seinen Freizeitklamotten sieht er echt zum Anbeißen aus.«
»Ach so.« Heather war schon auf dem Sprung.
»Ist doch klar, dass er sich irgendwann ein Stück Kuchen genehmigt. Ist ja schließlich ein Mann. Gut, ich bin zwar nicht die große Aufreißerin« – sie hob die manikürten Hände – »das gebe ich gern zu, aber Tatsachen sprechen für sich, und eins weiß ich: Mit einem Haufen gebrauchter Klamotten angelst du dir keinen Mann.«
An dieser Stelle musste Heather einfach eingreifen. »Äh, Vintage-Mode heißt das.«
Colette wurde von einem Kunden unterbrochen. »Sie wollen diesen Haufen? Macht fünfunddreißig Pence.«
»Da habt ihr mich toll eingeteilt«, fauchte sie und ließ die Geldstücke lautstark in die Dose fallen. »Schönen verschissenen Dank auch!«
Rachel machte sich an ihrem Kofferraum zu schaffen. Das Zeug musste noch ein bisschen sortiert werden, bevor sie es verhökern konnte. Sie musste Chris seine Kartons geben und Poppy im Auge behalten, bis er sie abholte. Noch kam er nicht zu spät, aber langsam wurde es Zeit.
Ein unbekannter schwarzer Chrysler schnurrte über die Piste und glitt elegant in die Lücke neben Rachel. Die Fahrertür sprang auf. Oha, dachte Rachel, wie aufregend! Die vielversprechende Neue vom ersten Schultag. Erst kamen die Beine, rank und schlank in coolen Jeans und mit richtig schicken Ballerinas an den Füßen, dann der Kopf mit dem glänzend schwarzen, schwungvoll wippenden Bob. Mit einer akkuraten Handbewegung schob sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr, hob das Kinn und begrüßte Rachel mit einem herzlichen, offenen Lächeln. Rachel wollte gerade auf sie zugehen, hätte sie wirklich gerne getan – sie hatte schon lange niemanden mehr getroffen, der ihr so sympathisch war – , doch in diesem Augenblick wurde sie Opfer eines brutalen Angriffs.
Heathers Warnungen hatte sie zwar gehört, aber nicht ernst genommen. Die war ja nett, quasselte aber meist dummes Zeug. Diesmal hatte sie aber ausnahmsweise mal recht gehabt: Eine wilde Horde Flohmarktfans fiel über sie her, hielt ihr die Sachen direkt unter die Nase und blaffte: »Wie viel, Schätzchen?« Manche kletterten halb in den Kofferraum und andere wühlten unter dem Fahrersitz herum. Der Ansturm war so heftig, dass ihr Auto schaukelte.
Und grausamerweise musste sie mitansehen, wie Poppy mutterseelenallein im Sprühregen stand, die Klobürste immer noch fest in der Hand, und wartete, wartete, wartete. Der Kummer schnürte Rachel fast die Kehle zu.
8.25 Uhr
»Kuchen? Mehr habt ihr nicht zu bieten? Wir sind schon seit Stunden auf den Beinen. Wo sind die belegten Brote?« Die Lage am Kuchenstand verschlimmerte sich von Minute zu Minute. Vor dem Tisch hatte sich schon eine dichte Menge versammelt. Bea, die das Headset mittlerweile abgesetzt hatte, vergrub die Hände in der großen Kängurutasche ihrer Schürze und setzte eine verbissene Miene auf. »Die sind alle selbst gebacken.«
»Schön für dich. Gibt’s hier nichts Herzhaftes?«
»Wie wär’s mit Biskuitkuchen?« Bea hielt die Platte hoch. »Den habe ich selbst gemacht. Ganz ohne Fett!« Sie sah wirklich ein bisschen angespannt aus. Doch dann fiel ihr Blick auf Heather. »Ah! Wie gut, dass du da bist. Das hier …« Bea lächelte gewinnend in die Menge, »… ist unsere Organisatorin.« Sie löste die Bänder ihrer Schürze und streifte sie ab. »Diese Leute sind in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und hätten lieber belegte Brote. Oder was Herzhaftes.« Sie drapierte die Schürze über Heathers Schulter. »Ah, da ist meine Mutter! Ich muss jetzt leider rüber und ihr helfen.«
Bei
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