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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troy Una
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zuviel werden, aber nein …«, sie hob ihr Glas, »Sie sehen, wir fühlen uns wohl.«
    »Beim Bankett werden wir uns allerdings zurückhalten müssen«, bedauerte Miss Bessie. »Ein bißchen Suppe, ein bißchen Fisch – nun, ein Häppchen Pute kann uns auch nichts schaden, nicht wahr, Caroline?«
    »Aber wirklich nur ein Häppchen! Eine schwere Mahlzeit zu dieser späten Stunde würde uns nämlich müde machen, und das wollen wir keinesfalls! Denn wissen Sie, Jill, am meisten freuen wir uns auf den Augenblick, wo unserem lieben Mr. Radokov im Rathaus die Ehrung zuteil wird. Er sieht natürlich immer sehr vornehm aus, aber heute wirklich ganz besonders. Finden Sie das nicht auch, meine Liebe?«
    Konrad Radokov war zweifellos eine auffallende Erscheinung. Er war größer als die meisten anwesenden Männer; den markanten Kopf hatte er jetzt zurückgeworfen, und seine Zähne blitzten hinter dem blonden Vollbart, als er über irgendeine Bemerkung des Bürgermeisters lachte. Die neben ihm stehende Zilla mit dem feurigen Blick und dem glänzenden schwarzen Haar bildete ein perfektes Pendant zu ihrem Ehegatten. Sie trug ein schlichtes, hochelegantes weißes Kleid, das ihre olivfarbene Haut wunderbar zur Geltung brachte. Jill bemerkte tonlos: »Mister und Mrs. Radokov sehen viel zu schön aus, um wahr zu sein.«
    »Mr. Radokov ist ein so amüsanter Gesellschafter; aber heute abend übertrifft er sich selbst, es ist unglaublich, wie er es fertigbringt, aus jedem das Beste herauszuholen.«
    »Wir sitzen am Haupttisch«, berichtete Miss Bessie stolz, »ganz in seiner Nähe, so daß wir alles hören können, was er sagt. Anscheinend gehören wir nämlich«, sie kicherte verschämt, »zu den Hauptaktionären, ja, ja, meine Liebe, Sie wissen gar nicht, was für wichtige Leute wir geworden sind!«
    Die beiden alten Damen nickten mit den Köpfen und lächelten so unschuldig und glücklich wie zwei Kinder bei einer Geburtstagsfeier. Jills frühere Bedenken schwanden bei diesem Anblick. Konrad hatte sein Netz weit gespannt, und alle waren sie ihm auf den Leim gegangen, die großen Fische wie auch die vielen armen kleinen, sie zappelten hilflos in den Maschen und würden allesamt zugrunde gehen, wenn Fergus und sie recht behielten. Und wenn nicht? Nein, es wäre zu feige, jetzt zu kneifen, nur weil man Angst hatte, sich lächerlich zu machen! Ihre Augen suchten wieder Fergus. Er wies stirnrunzelnd auf die Fräulein Bradshaw, dann trafen sich ihre Blicke. Natürlich war er nur ein krausköpfiger anmaßender Junge! Aber es waren nicht die krausköpfigen anmaßenden Jungen, die heutzutage in Dooneen und auf der ganzen Welt das größte Unheil anrichteten, sondern die sogenannten ernsten und vernünftigen Männer.
    Die geladenen Gäste gingen jetzt grüppchenweise in den Speisesaal, und die Bar leerte sich. Fergus trat zu Jill und sagte: »Ich kann mich jetzt aus dem Staub machen, zum Dinner bin ich nicht eingeladen, dafür war ich den Herrschaften nicht wichtig genug. Die sind eben viel zu dämlich, um die Spreu vom Weizen zu sondern. Wir müssen uns also selbst verpflegen, bevor das große Getue im Rathaus anfängt. Gehn wir?«
    Sie verließen das Hotel. In einem kleinen Restaurant auf der Seepromenade aßen sie Fisch und Bratkartoffeln und tranken Nescafe. »Eine Armee«, erläuterte Fergus, »marschiert besser mit vollem Magen, und das gilt auch für uns. Greif zu, Mädchen! Wir haben jede Menge Zeit. Das Freßgelage im Hotel dauert Stunden.« Sie schlenderten langsam am Hotel vorbei, vor dem noch immer viele Wagen standen, und gingen wie geplant an der Mauer des Glebe-Hauses entlang. Schließlich bogen sie ein ganzes Stück vom Hotel entfernt in eine ruhige schmale Seitenstraße ein, stiegen über eine hohe Steinmauer und standen im Garten des Glebe-Hauses. Sie hatten sich schon vorher einen riesigen alten Kastanienbaum als Beobachtungsplatz ausgesucht, und mit Fergus' Hilfe war es für Jill ein leichtes, auf einen hochgelegenen starken Ast zu klettern. Das dichte Laub schützte sie vor neugierigen Blicken, sie selbst konnte aber genau sehen, was im Hotel vor sich ging. Nach einiger Zeit kamen die Gäste heraus und setzten sich in ihre Wagen. Fergus wartete noch gut zehn Minuten, bis auch die letzten Nachzügler fort waren, dann verkündete er: »So, unser hochgeschätzter internationaler Finanzier ist nunmehr einige Zeit vollauf mit den fortschrittlichen Bürgern unserer Stadt beschäftigt und kann uns nicht dazwischenfunken, also

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