Muttergefuehle
Aber nie hätten sie deshalb Streit, den hätten sie nämlich abgesehen von den typischen kleinen Zickereien nie im Leben. Sie würden sich gegen uns verbünden und zusammen so tolle Streiche aushecken, dass wir statt zu schimpfen über unsere witzigen, kreativen Kinder lachen müssten. Sie würden eine Band gründen und in unserem Wohnzimmer ihr erstes Konzert spielen. Sie würden sich bei den Hausaufgaben helfen, während wir mit einem Kaffee auf dem Balkon stünden und ihnen heimlich dabei zusähen, berauscht vor Liebe und Stolz auf unsere beiden Kinder. Und wenn ich nicht sofort mit dieser Geschwisterträumerei aufhöre, dann melde ich Luzie Drust gleich als vermisst.
Gegen den Übermut hilft:
• Eine Grippe. Wenn das Kind krank wird und jammert und schlecht schläft, bin ich sofort kuriert.
• Trotz. Wut. Krawall. Sobald das Kind eine schlechte Phase hat, löst sich der Wunsch in Dankbarkeit auf.
• Freunde mit Aussagen wie: »Wenn du ein zweites Kind hast, kannst du deine eigenen Bedürfnisse komplett knicken.«
• Ein sehr langfristig gedachtes Verhütungsmittel und ein Datum in ferner Zukunft, ab dem wieder über Nachwuchs nachgedacht wird.
Wird er dann automatisch ein egozentrisches Arschloch?
Die Befürchtungen, wenn das Kind Einzelkind bleiben soll.
Unter diesen Bedingungen will ich kein zweites Kind. Der Mann arbeitet viel zu viel, als dass wir uns beide gleich viel ums Kind kümmern könnten. Ich werde unglücklich, wenn ich nichts anderes mache als Mutter sein, kann aber andererseits schlecht los- und deshalb nicht zulassen, dass das Kind im ersten Jahr von jemand anderem als dem Mann oder mir betreut wird.
Als der Mann sich in einem Anflug von Wahnsinn ein weiteres Kind wünschte, erteilte ich ihm deshalb folgende Absage: »Noch eins? Nur, wenn wir beide uns Erziehen und Arbeiten gleichberechtigt teilen können. Geht nicht? Dann kriegen wir auch kein weiteres Kind.« Kurz darauf wurde die Spirale eingelegt und das Thema Nachwuchs für mindestens zwei Jahre vertagt.
Abgesehen von ein paar Einschlägen von Übermut verspüre ich weder körperlich noch psychisch das Verlangen, wieder schwanger zu werden. Ich kann darauf verzichten, wieder zwanzig Kilo zuzunehmen, noch eine Geburt zu durchleben, um danach nicht nur für ein Rumpelstilzchen in der Trotzphase, sondern auch noch für einen Pflegefall zu sorgen. Und all das mit einem Mann, der Karriere macht, während sich mein eigenes Leben in Wohlgefallen auflöst.
Nee, nee, gerade hat sich bei uns alles so schön eingependelt und entspannt. Ich habe kein Verlangen danach, jetzt wieder Unruhe in unsere Familie zu bringen. Tatsächlich schaffe ich es endlich, im Beisein meines Kindes einen halben Artikel in der Zeitung zu lesen oder eine Mahlzeit zu kochen, ohne dass er jedes Mal kreischend auf den Arm will oder meine Jogginghose bis zu den Knien runterzieht. Wir kommen prima miteinander aus, er versteht so gut wie alles, und ich muss schlechte Phasen und Wutanfällen nicht mehr nur aushalten, sondern kann auf meine Weise erzieherisch damit umgehen. Ich arbeite halbe Tage und verbringe den restlichen Tag mit meinem Sohn. Und inzwischen können wir richtig spielen: Wir malen, wir bauen eine Höhle und machen darin ein Picknick, wir singen und toben und tanzen, und das alles macht mir einen Riesenspaß.
Ein zweites Kind käme mir jetzt vor wie ein Eindringling, der mir Zeit mit meinem Sohn klaut. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, es genauso verrückt lieben zu können wie ihn. Alle Mütter von mehreren Kindern sagen, dass das von allein kommt, und wahrscheinlich stimmt das auch. Schließlich konnte ich mir vor meinem Sohn genauso wenig vorstellen, wie es mit einem Kind werden würde, aber die Summe meiner Gedanken zeigt: Ich bin deutlich noch nicht bereit und weiß nicht, ob ich es jemals so konstant sein werde, dass wir uns tatsächlich für weiteren Nachwuchs entscheiden.
Viele meiner Freundinnen bekamen oder bekommen ein zweites Kind oder denken zumindest darüber nach, weil sie den Gedanken traurig finden, dass ihr erstes Kind später, wenn »man selbst mal nicht mehr ist«, allein bleibt. Den Gedanken kann ich nachvollziehen, aber ist Blut automatisch dicker als Wasser? Meine zwei besten Freunde zum Beispiel sind für mich wie Geschwister. Wir sehen uns andauernd, wir wissen am Telefon mit dem ersten »Hallo«, wie es dem anderen geht, wir trösten uns, wir treten uns in die Ärsche, wenn es sein muss, und wir mögen dieselben
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