Muttergefuehle
spielte und das ganze Stadion deren Tore gefeiert hat (aber ich habe auf youtube genau gesehen, dass das auch gestandenen Männern passiert ist). Der Tagesvater berichtete regelmäßig per SMS über gute Laune und problemloses Einschlafen, so dass wir nach dem Spiel gemütlich essen und danach ein Bier trinken konnten. Gut, wir haben uns jetzt nicht abgeschossen, bis wir es lustig gefunden hätten, uns gegenseitig mit Edding Schweinenasen zu malen, aber wir waren erst um Mitternacht (!) wieder zu Hause. Und als ich ins leere Kinderzimmer geguckt habe, war da erstaunlicherweise keine Angst und keine Sehnsucht, sondern pure Erleichterung. Aaaahhhh! Ich würde mich entspannt ins Bett werfen und Sex haben können, ohne mit einem Auge auf das Babyfon zu schielen, und am nächsten Morgen so lange schlafen, bis meine Augen von allein aufgehen. Dass das genau um halb acht sein würde (also genau dann, wenn das Kind immer aufwacht), konnte zu dem Zeitpunkt ja keiner ahnen.
Das Kind muss manchmal weg, weil:
• … es herrlich ist, mal nicht Mutter zu sein.
• … mich Dinge interessieren, die abends stattfinden und nichts mit Kindern zu tun haben.
• … es eine tolle Sache ist, mal langsam etwas zu essen und nicht Brot, Gemüsesuppe oder Fischstäbchen zu schlingen, während ich fliegendes Essen auffange, umgekipptes Wasser aufwische etc.
• … der Mann und ich Zeit für uns brauchen, damit wir auch einfach mal ein Paar sind.
• … ich solche Abende, insbesondere die mit Saufen, immer sehr genieße, mich aber am nächsten Tag immer sehr über meine Familie freue. Genau wie über die Tatsache, dass ich nicht mehr so oft feiern gehen muss.
Ach was! Doch kein Kinderspiel?
Die Genugtuung, wenn der Vater scheitert.
Sprüche wie »Was machst du eigentlich den ganzen Tag?«, »Ich weiß gar nicht, was du hast, er ist doch super drauf« oder »Wie sieht es hier denn aus?« hat mein Mann, wenn überhaupt, nur gedacht. Trotzdem hatte ich immer das Gefühl, er versteht mich nicht richtig. Schließlich konnte ich mir auch erst vorstellen, wie langweilig und nervtötend der Alltag mit Kind sein kann, als ich ihn selbst erlebt habe und merkte, wie die Last der ständigen Entscheidungen auf einem liegt, wie nervös einen die Daueranspannung macht, weil jeden Moment alles passieren kann, und wie bedrückend es ist, für alles die alleinige Verantwortung zu tragen.
Mein Mann war in eineinhalb Jahren ganze zwei Tage mit unserem Kind allein und kannte den Alltag mit ihm fast nur aus meinen Erzählungen. Bis jetzt. Denn er hat seinen Job gekündigt und eine zweimonatige Pause eingelegt, bevor er den nächsten beginnen wird. In dieser »Pause« ist er Hauptverantwortlicher für unser Kind, holt es vom Tagesvater ab und gestaltet die Nachmittage mit ihm. Ich arbeite Vollzeit, und damit er mich auch wirklich nicht um Rat fragen oder mir »mal eben kurz« das Kind geben kann, habe ich mir einen Büroplatz gemietet. Und gleich in der ersten Woche hatte ich meinen ersten Genugtuungs-Grinsemoment: Ich kam von der Arbeit nach Hause. Der Mann bereitete gerade genervt das Abendessen zu, während unser Sohn wütend vor ihm rumhampelte, weil er unbedingt auf den Arm wollte. Alles ganz normal so weit. Ganz normal auch, dass ich dem Mann als Erstes einen schlauen Tipp gab, so macht er es schließlich auch immer, wenn er nach Hause kommt. Ich musste grinsen: »Na? Richtig super, gleich einen schlauen Tipp zu bekommen, was?«
Er zickte »Lass mich einfach in Ruhe!« zurück, was er sich wahrscheinlich von mir abgeguckt hatte.
Es ist großartig! Mein Mann wird eine sehr große, bärtige Version von mir. Das Rumgezicke ist also kein weibliches Hormonproblem, sondern völlig normal. Und es kommt bei Männern genauso häufig vor wie bei Frauen, nämlich fast täglich. An seinem dritten Tag wollte er morgens joggen gehen, wir waren aber spät dran, und ich hätte nicht pünktlich im Büro sein können. Das sagte ich ihm, woraufhin er beleidigt aus dem Schlafzimmer rauschte und tatsächlich fauchte: »Dann stecke ich eben wieder zurück.« Vor lauter Lachen konnte ich ihm nicht mal aufs Brot schmieren, dass ich seit eineinhalb Jahren zurückstecke und es sehr erheiternd finde, dass er schon nach einer Woche findet, gegen ihn stehe Jesus da wie ein Partyprominenter.
Dabei hatte er noch gar nicht die volle Packung, denn wir waren zwischendurch verlängerte Wochenenden verreist, ich bin eher von der Arbeit nach Hause gekommen oder habe das Einkaufen
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