Muttergefuehle
Kinderwagen und mindestens zwei Tüten Einkäufe mit mir herum, da sind Turnschuhe und eine Jacke mit vielen Taschen eben praktischer. Seit ich Mann und Kind habe, turne ich auch nicht mehr durch Clubs und nehme fremde Männer mit nach Hause, sondern gehe zum Musikgarten und abends früh ins Bett. Auf der Suche nach etwas Selbstbestätigung fällt mir auf, dass Männer mich, seit ich mit Kinderwagen unterwegs bin, ähnlich interessant finden wie die Squaredance-Aufführung einer jung gebliebenen Seniorengruppe. Und meine Nachbarn erkennen mich häufig nicht einmal, wenn ich mein Kind nicht dabeihabe. Das schockiert mich. Sowohl in meiner eigenen als auch in der Wahrnehmung anderer scheine ich als eigenständige Frau nicht mehr zu existieren. Schnell verabrede ich mich mit einer Freundin, schminke mich, ziehe mir hohe Trippelstiefel an und gehe aus. Und ich finde es toll, im Grünen Jäger ein Bier zu trinken, und fühle mich geschmeichelt, wenn ich angesprochen werde. Auch die laute Musik macht mich glücklich. Aber irgendwann fange ich meistens an, mich fehl am Platz zu fühlen, obwohl ich in diesem Laden früher häufiger war als in meinem eigenen Badezimmer. In meinen hohen Stiefeln tun mir die Füße weh, der Rauch brennt mir in den Augen, und die obercoolen Leute finde ich irgendwie albern. Ich müsste so viel trinken, um mich richtig wohlzufühlen, dass ich morgen weder meinem Kind noch meinem Job gerecht werden könnte. Und dies hier ist die Stelle, wo der Hund sich wieder mal in den Schwanz beißt.
Das mache ich bei Identitätsproblemen:
• Damit ein krankes Kind für mich nicht immer gleich zum beruflichen Supergau wird, arbeite ich an einem Notfallplan. Ich lerne, dass nicht nur ich eine adäquate Lösung fürs kranke Kind bin, und involviere andere Bezugspersonen.
• Ich mache Dinge, die für mich »muttiuntypisch« und meistens auch unpraktisch sind (ausgehen, hohe Absätze, zu dünne Kleidung), um zu sehen, dass sie nicht unmöglich sind. Gern auch mit Kind: Mein Sohn findet Schminken super und zieht gern meine Sachen an.
• Ich rufe befreundete Mütter an und beklage mich. In diesen Anrufen, die ich auch regelmäßig bekomme, geht es nicht in erster Linie darum, eine Lösung zu finden, sondern darum, dass wir uns auskotzen und hören, dass andere das gleiche Problem haben.
Ich kenne meine Rechte. Aber nur vom Hörensagen.
Die Bredouille, Mutter und Feministin zu sein.
Achtung: Ich hole jetzt sehr weit aus. Aber gerade die, die denken: »Feministin? Bis jetzt fand ich das Buch eigentlich ganz gut«, sind besonders herzlich eingeladen weiterzulesen. Denn ich möchte anmerken, dass Feministinnen eben nicht nur die sind, die dankenswerterweise eine Menge für uns getan haben, heute aber doch oft sehr staubig und lila und intolerant rüberkommen. Für mich ist jede Frau, die selbstbestimmt ihr Leben gestaltet, eine Feministin, beziehungsweise sollte sie spätestens dann eine werden, wenn sie dabei an Grenzen stößt. Was, wenn wir mal ehrlich sind, so gut wie immer passiert. Mir zumindest.
Während des Studiums zum Beispiel wurde ich wegen meines Nebenjobs in einer Bar regelmäßig von fetten, hässlichen Vollidioten beziehungsweise Kommilitonen aufgefordert, für sie an der Stange zu tanzen (haha, voll lustig), in meiner ersten Festanstellung war sofort klar, dass ich weniger verdiene als meine männlichen Kollegen, und als ich später in der Werbung anfing, wurde es auch nicht besser. Je höher es dort die Karriereleiter nach oben ging, desto niedriger war die Frauendichte. Frauen in Führungspositionen? Ja klar (ironisch)! Ich erinnere mich an ein Führungskräfte-Seminar, das ich bei meiner alten Agentur besucht habe. Ich war die einzige Frau und wurde von den männlichen Dickhosenkollegen so lange geschnitten, bis sie gemerkt haben, dass ich nicht nur blond bin und Titten habe, sondern auch Dinge sagen kann, von denen sie später behaupten können, sie hätten sich das ausgedacht.
Eigentlich sind in der Werbung festangestellte Mütter nur in zwei Variationen zu finden: Von den Chefs aufs Halbtagsabstellgleis degradiert und von den KollegInnen gehasst, weil sie immer weg sind. Oder sie sind immer da, weil sie Vollzeit arbeiten und ihr Kind nie sehen. Flexible Modelle gibt es kaum, bisher heißt es für Mütter meistens: entweder ganz oder halbgar mit anspruchsloser Arbeit.
Auch auf privater Ebene wurde mir schon in der Schwangerschaft klar, dass ich gar nicht anders konnte, als Feministin zu
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