Muttergefuehle
Oma die Zeitung klaute oder sich den Löffel ins Auge steckte. Und wenn ich abends nach Hause kam, dann hatte sich den Tag über so viel Vermissung angestaut, dass ich das Kind herzte und lieb hatte und geduldiger war als ein alter Familienhund, dem zwei Generationen Kinder versucht hatten die Ohren zusammenzuknoten und die dritte es dank der guten Vorarbeit endlich schaffte. Ich war so verliebt und entspannt und glücklich, und ich wünschte mir, die Zeit würde stillstehen, damit unsere Tage für immer so bleiben könnten: Wir stehen alle gemütlich zusammen auf (07.00 ist das neue 10.00), dann geht das Kind zu den Tageseltern, ich mit dem Mann Kaffee trinken, dann mache ich mich auf den Weg ins Büro, arbeite, bis ich fertig bin, und gehe wieder nach Hause zu Mann und Kind, wo wir uns zu dritt umarmen und küssen und tanzen und lachend zusammen Abendbrot essen. Natürlich war es nicht die ganze Zeit so, aber eben wirklich die meiste.
Heute ist also der zweite Tag, an dem der Mann wieder weg ist. Ich gehe deshalb nicht mehr Mittagessen. Gestern hatte ich ein Käsebrötchen, heute ein Käsebrot. Gehetzt haue ich in die Tasten und hinke bereits nach zwei Tagen meinem Arbeitsplan hinterher. Ins Büro komme ich nämlich wieder viel zu spät, weil ich es erst schaffe zu duschen, wenn meine Männer aus dem Haus sind, dann mache ich noch »eben schnell« die Wäsche, räume die Spülmaschine aus und nehme Pakete für das ganze Haus an. Irgendwas ist immer, nur eben nicht pünktlich arbeiten. Kaffee trinken war ich gestern wieder mit meinem Sohn statt mit Freunden, die Milch fiel natürlich um, die Blumenerde wurde an der Glastür verteilt und mein Beruhigungs-Muffin schmeckte nach englischer Seife. Abends schlief ich schon auf der Couch ein, schleppte mich ins Bett, und am nächsten Tag ging alles von vorn los. Aber das richtig Schlimme kommt erst noch: Das Kind wird immer wieder krank, und ich kann meinen Job nicht liegen lassen, den es handelt sich um dieses Buch, für das ich ja eine Deadline bekommen habe. Der wieder berufstätige Mann kann aber noch unmöglicher fehlen als ich. Jetzt hatten wir zwei Monate andere Welt gespielt, und am Ende bin ich doch wieder die Gearschte. Was soll das denn bitte zur Gleichberechtigung beitragen? Es war, als würde das Leben mir sagen: »Guck mal, wie es sein könnte. Aber das geht doch nicht. Ätsch!« Ich bin frustriert. Ich will darüber schreiben, dass das Kind ständig krank ist und der Mann immer arbeitet, aber das Kind ist ständig krank, und der Mann arbeitet immer. Ich bin wieder drin im Hamsterrad der Mutterschaft, das sich leider auch nicht viel langsamer dreht, wenn alles normal läuft:
Das Kind jammert sich morgens wach, wir frühstücken, ich schaffe nicht zu duschen und hetze mich weiter durch den Tag. Bevor ich nach der Arbeit (wie immer nicht alles geschafft) das Kind vom Tagesvater abhole, muss ich noch schnell einkaufen. Ich trage die Tüten mit literweise Milch, Joghurtgläsern und anderen Dingen aus der Schwere-Sachen-Abteilung die Treppe hoch, und mir ist klar: Nach den Vätermonaten ist vor den Vätermonaten.
Meine Regeln für die Zeit nach der Väterzeit:
• NICHT den Märtyrer spielen.
• Bedürfnisse sofort äußern. Wenn ich zum Beispiel Zeit für mich oder eine Nacht ohne Störungen brauche, formuliere ich das, und zwar nicht als Andeutung, sondern so, dass der Mann es sofort versteht und mir hilft.
• Neue Regel: Der Mann holt das Kind einen Tag die Woche vom Tagesvater ab, und ich arbeite bis abends. Immerhin.
• Um dem Aschenputtel-Alarm vorzubeugen und damit ich nicht das Gefühl bekomme, der Mann lebt sich beruflich aus, während ich die Nanny spiele, unternehme ich so viel ohne Familie, wie ich muss.
• Ich will flexiblere Arbeitsmodelle für Eltern. Dann hätten Väter wie der Mann die Möglichkeit, sich länger als zwei Monate einzubringen, und ich wäre jetzt nicht so kaputt und frustriert.
DIE GLEICHBERECHTIGUNG
Was bin ich, und wenn ja, wie viele muss ich sein?
Die Identitätsprobleme einer jungen, berufstätigen, eitlen Mutter.
Seitdem ich mein Kind bekommen habe, weiß ich manchmal nicht, wer ich bin. Oder besser: Ich versuche, so viel zu sein, dass es mich überfordert. Zuallererst bin ich Mutter und damit ein ziemlich wichtiger Teil unserer Familie. Weil ich am meisten Zeit für sie habe, halte ich sie zusammen. Während der Mann viel arbeitet, kümmere ich mich um Familienangelegenheiten wie Geburtstage oder Treffen und
Weitere Kostenlose Bücher