Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)
Wenn Philipp es nicht so gern hätte, dann würde ich das gar nicht mehr kaufen.« Sie rückt ihre Lesebrille auf der Nasenspitze zurecht. »Die haben da außerdem nur Sachen für Männer«, sagt sie mit einem missbilligenden Blick. »Die sind ja auch so blöd und lassen sich einreden, dass sie für die kurze Fahrt nach Hause dringend noch ’ne Tüte Chips für drei Euro und zwei Cappuccino für fünf Euro brauchen! Männer sind ja so dämlich, Laura!«
Ich nicke und wundere mich einmal mehr darüber, dass meine Mutter, die in letzten Jahren fast täglich mit meinem Vater in der Gegend herumgefahren ist, so wenig über die Geschäftspraktiken in Tankstellenshops weiß, dass sie erstaunt darüber ist.
Jetzt kann sie das Versäumte nachholen. Nicht nur die Angestellten der Tanke kennt Muddi inzwischen genau, nein, sie beobachtet auch ihre Nachbarn und Bekannten bei deren Besuchen im Mini-Einkaufsparadies gegenüber. Ihr Nachbar, den sie nur »der Dicke« nennt, trinkt regelmäßig mindestens einmal pro Woche einen Kaffee dort und bezahlt dafür einen Euro …
»Eigentlich kann er sich das überhaupt nicht leisten, denn er kriegt doch Hartz IV«, ist Muddis Kommentar.
Die Frau eines Bekannten wiederum zerrt und schleift ihren Mops bis zur Tankstelle.
» Unglaublich tierfeindlich!«, so meint Muddi. »Sie bindet das arme Tier vor der Tür an und verbringt Stunden am Stehtischchen.« Dabei zieht sie angeblich nur über andere her und schlürft einen Kaffee nach dem anderen. »Und der Hund, Laura! Der tut mir so leid. Der zittert ständig und guckt die ganze Zeit traurig zur Tür, weil er auf sein Frauchen wartet! Wie kann man nur so sein?«
»Was meinst du mit so? «, frage ich.
»Na, so tierfeindlich. Ihr Mann ist ja schwer krank. Jetzt kann er nicht mehr mit dem Hund Gassi gehen, nun muss seine Frau das tun. Und er hat sich immer ganz liebevoll um das Tier gekümmert.« Muddi macht eine bedeutungsvolle Pause. »Immer, wenn der Hund stehen geblieben ist, ist der Herr Schulze auch stehen geblieben. Ich hab neulich gelesen, dass man das so machen soll. Die Hunde müssen ja auch schnüffeln können, Laura. Für die ist die Straße wie eine Zeitung. Bleibst du nicht stehen, nimmst du den Hunden die Tageszeitung. Oder quasi ihr ganz eigenes RTL aktuell .«
Leider Gottes habe ich eine sehr starke Fantasie, sodass die Worte meiner Mutter sogleich Gestalt annehmen: Der Mops schnüffelt. Sein Hundehirn übermittelt ihm Bilder von Peter Klöppel als Hauptkommentator. Dieser spricht: »Hallo, Mops. Um acht Uhr fünfunddreißig kam an diesem Busch deine Lieblingsrehpinscherdame Kira vorbei. Sie hockte sich kurz hin und strullte. Sie ist läufig. Riechst du’s? Wenn du dich beeilst, kannst du sie an der Ecke Gartenstraße/Feldweg noch erreichen. Und wenn du nett zu ihr bist – also nicht sofort an ihrem Hinterteil schnüffelst –, wäre sie vielleicht dazu bereit, sich mit dir zu paaren.«
Diese wunderbare Berichterstattung entgeht dem Mops nun, weil sein Frauchen ihn immer zur Tanke schleift. Ich weiß auch nicht, wie man so sein kann. Aber vielleicht liegt das einfach daran, dass ich nur in absoluten Notfällen in Tankstellen einkaufe.
Ich bin gerade noch dabei, das Bild vom Herrn Klöppel abzuschütteln, als Muddi beginnt, mir ausführlich über ihre Straßenreinigungsmaßnahmen zu berichten. Sie hat wieder einmal mehrere Tage lang und über Stunden hinweg Laub gefegt. Die Blätter auf ihrem Bürgersteig sind ohne Zweifel eine der letzten großen Herausforderungen im Leben des modernen Menschen! Und auch diese ist – wie könnte es sein – mit der Tanke gegenüber verwoben.
»Du wirst es nicht glauben, Laura: Ich hab Berge an Blättern zusammengefegt«, sagt Muddi. »Auf einmal kommt der Wind und weht alles wieder durcheinander! Nur drüben, auf der anderen Straßenseite, da ist nichts. Da liegt kein einziges klitzekleines Blättchen herum! Ich müsste in der Tankstelle wohnen, dann wär alles viel einfacher.«
Ja, Muddi!, denke ich. Das ist eine tolle Idee! Zieh rüber und setz dich zu deinen Nachbarn in die Kaffeeecke zum Plaudern! Oder sie könnte an der Tankstelle den Angestellten helfen, maßlos überteuerte Waren zu verkaufen! Und hilfsbedürftige Mops-Kreaturen in die Tankstelle mit hineinzunehmen. Endlich könnte der Hund Gas geben! Man würde auf Anweisung von Muddi Fress- und Wassernapf für ihn kredenzen. Einen Ochsenziemer-Selbstbedienungsnapf einrichten. Das wäre nicht nur ein schönes Hobby,
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