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Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Titel: Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Windmann
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Sicht notwendigen Reklamation hat meine Mutter nicht nur in Einkaufszentren, sondern auch in Restaurants.
    Von jeher gestaltet sich bereits die Tischwahl schwierig. Wenn alle Fensterplätze belegt sind, wählt Muddi wohl oder übel erst einmal einen Tisch in der Mitte des Restaurants – jedoch unter mehr oder minder lautstarkem Protest. Meine Mutter sitzt nun mal nicht gern auf dem »Präsentierteller«.
    »Wir kommen nun schon seit zwanzig Jahren hierher«, sagt sie in unserem Stammlokal zu mir, während wir hinter dem Kellner zum Tisch gehen, »und immer wieder ist es ein Problem, uns einen Fensterplatz frei zu halten. Ich finde das sehr seltsam!«
    Natürlich spricht sie mit Absicht so laut, dass der Kellner sie versteht. Manchmal bekommt sie dafür dann ein Freigetränk.
    »Wissen Sie schon, was Sie wählen möchten?«, fragt er kurz darauf und zückt seinen Block.
    Ein Lächeln huscht über Muddis Gesicht. »Ich nehme mal wieder das Seelachsfilet mit Kartoffelsalat.«
    »Gerne, Frau Windmann.«
    Selbstverständlich kennt das Personal meine Mutter beim Namen, dafür hat sie selbst gesorgt.
    »Obwohl …«, zögert sie, »ist der Kartoffelsalat mit viel Speck angemacht? Und mit Gurkenstückchen?«
    »Ja, Frau Windmann, so wie immer«, sagt er eilfertig.
    »Dann möchte ich doch nicht das Seelachsfilet.« Meine Mutter schüttelt betrübt den Kopf. »Wenn ich zu viel von Ihrem Speck esse, bekomme ich nachts Sodbrennen.«
    »Ja, Frau Windmann, das verstehe ich. Nehmen Sie doch die Scholle. Wir servieren sie mit Salzkartoffeln und einem leichten Blattsalat.« Der Kellner ist sehr geduldig.
    »Och, nur Salzkartoffeln? Kann ich die Scholle auch mit Bratkartoffeln bekommen – ohne Speck?«
    »Selbstverständlich, Frau Windmann, ganz wie Sie wünschen.«
    »Und du, Laura?« Meine Mutter wendet sich mir zu. »Nimm du doch das Seelachsfilet. Du kannst ja solch fetten Speck gut vertragen. Du bist eh viel zu dünn. Finden Sie nicht auch, dass meine Tochter viel zu dünn ist?«
    »Muddi!«, zische ich ihr zu.
    Das Essen ist also bestellt – und natürlich wird in exakt dem Moment, in dem die Bedienung uns den Rücken kehrt, ein Platz am Fenster frei.
    »Guck mal, Laura!«, ruft Muddi aufgeregt. »Die stehen auf! Lass uns schnell den Platz wechseln!«
    Sie greift sich ihre Handtasche und läuft zu dem frei gewordenen Fensterplatz. Seltsamerweise vergisst sie in Augenblicken wie diesem ihre Kniearthrose komplett. Ich humple hinterher, weil ich mir beim überhasteten Aufstehen den kleinen Zeh am Tischbein gestoßen habe.
    Einige Minuten später sitzt Muddi am Fenster und freut sich.
    »Ach Laura, ist das nicht schön?«, sagt sie. »Da kann man das Essen doch viel mehr genießen! Hier haben wir Licht und den Ausblick und …«
    »… und einen anderen Kellner, Muddi.«
    Unserer ersten Bedienung ist soeben aufgefallen, dass wir das Revier gewechselt haben.
    Der Mann kommt an unseren Tisch und fragt vorsichtig: »War mit dem anderen Tisch etwas nicht in Ordnung, Frau Windmann?«
    Meine Mutter zieht eine Augenbraue hoch. »Na, Sie wissen doch ganz genau, dass ich eigentlich einen Fensterplatz bestellt hatte. Nur weil Sie oder eine Kollegin von Ihnen bei der Reservierung anscheinend vergessen haben, dass wir hier schon seit zwanzig Jahren einkehren, muss ich ja nicht im Dunkeln, in der Mitte des Raums auf dem Präsentierteller versauern!«
    »Nein, natürlich nicht, Frau Windmann«, sagt der Kellner und lächelt mühsam beherrscht. »Aber hier ist eine andere Bedienung zuständig. Ich muss das nun abgeben.«
    Muddi fährt mit einer Hand durch die Luft.
    »Das ist Ihr Problem. Wenn Sie es zu meinem Problem machen, dann war ich heute das letzte Mal Ihr Gast!«
    »Aber nein, Frau Windmann, natürlich nicht«, beeilt sich der Kellner zu sagen. Ist das nervöser Schweiß, der da auf seiner Stirn glänzt? »Das war ein Versehen, dessen Verschulden ganz auf unserer Seite lag! Ich werde das selbstverständlich weitergeben, dann kommt so etwas nicht wieder vor.«
    Am Ende dieses Tages sitzt meine Mutter auf ihrem Sofa und nimmt sich ihre Buchführung vor. Mit Schönschrift trägt sie in ihr dreitausendstes Haushaltsbuch Folgendes ein: »Essen gegangen mit Laura. Restaurant Zur Linde. Fensterplatz bekommen, obwohl nicht reserviert. Bedienung blöder Ochse. Zur Wiedergutmachung ein Essen umsonst!«



35
»Was ist, wenn die Katze den Rasenmäher bedient?«
    N icht nur mir, auch anderen Menschen verlangt Muddi einiges ab. Dennoch haben manche

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