Myriams letzte Chance
neu anzustreichen. Das war einige Jahre her, und inzwischen war nicht nur den Pferdemädchen klar, dass das niemals geschehen würde.
Auf der immer noch ungestrichenen Gartenbank saà Tom und in seinen Armen lag ein Mädchen. Und das Mädchen war nicht seine Freundin Ella.
Sondern April.
â Youâre such a great guy, Tomâ , hörte Myriam sie flüstern.
Statt einer Antwort beugte Tom sich zärtlich über April und küsste sie. April seufzte vor Glück und Myriam unterdrückte einen wütenden Aufschrei. Dieser Schuft! Ella lag nichts ahnend mit Sina und Tori im Zelt, denn Sue hatte darauf bestanden, dass Mädchen und Jungen getrennt übernachteten. Und während sie schlief, verführte Tom April.
Oder war es andersrum, hatte April Tom dazu verführt, mit ihr in die Scheune zu gehen und sie zu küssen? Wenn er eine Freundin hat, ist er für mich tabu, hatte sie Myriam doch versichert.
âYouâre so wonderfulâ , flüsterte sie jetzt.
Tom sagte immer noch nichts. Er war viel zu beschäftigt damit, April zu küssen. Wahrscheinlich waren sie schon die ganze Nacht hier zugange.
Myriam hatte genug gesehen. Ihr war übel. Sie schlich nach drauÃen. Als sie wieder auf dem Hof stand, hatte sie plötzlich das dringende Bedürfnis, die Scheunentür mit groÃer Wucht ins Schloss zu knallen und den beiden einen Schrecken einzujagen.
Ihre Hand lag schon auf der Klinke, aber dann lieà sie sie wieder los und huschte genauso lautlos davon, wie sie gekommen war.
Hannah schnarchte leise, als Myriam zurück ins Zelt kam. Und wenn sie schlief, dann schlief sie. Um sie wach zu kriegen, brauchte es mindestens ein Gewitter, einen kalten Waschlappen und ein paar Ohrfeigen, am besten gleichzeitig.
Myriam schlüpfte in ihren Schlafsack und starrte in die Dunkelheit. Wahrscheinlich kam April nachher ins Zelt, damit sie so tun konnte, als hätte sie die ganze Nacht hier verbracht. Myriam fragte sich, wie sie sich ihr gegenüber verhalten sollte. Sollte sie sie mit der Wahrheit konfrontieren? Oder sich lieber schlafend stellen?
Youâre so wonderful , hörte sie April wieder seufzen.
Myriam seufzte ebenfalls. April vergnügte sich und sie selbst würde sich bis zum Morgengrauen schlaflos hin und her wälzen. Toll.
Sie musste daran denken, wie Tom sie angesehen hatte, als sie ihn vor ihrem Auftritt getroffen hatte. Du siehst ja aus wie eine Frau. Und dann war er rot geworden.
Sie hatte sich darüber gefreut, auch wenn sie es sich bisher nicht eingestanden hatte. Ob sie sich deswegen so über die Knutscherei mit April ärgerte, weil sie eifersüchtig war?
DrauÃen vor dem Zelt maunzten zwei Katzen. In der Ferne bellte ein Hund.
Myriam drehte sich vom Rücken auf den Bauch. Wenn diese Nacht nur schon zu Ende wäre!
Sie wollte ihren Eltern zuwinken, die es wider Erwarten doch zur Abschlussvorführung auf die Sunshine Ranch geschafft hatten. Sie saÃen gleich in der ersten Reihe, neben April, Tom und Ella. Aber jetzt setzte die Musik ein. Myriam musste ihre Vorführung beginnen.
Das Pattern begann mit einem schnellen Galopp in immer enger werdenden Kreisen. Myriam presste ihre Schenkel in Camillas Flanken. Los gehtâs! Aber statt zu galoppieren, ging die Stute rückwärts. Zuerst im Schritt, dann verfiel sie in einen leichten Trab und schlieÃlich galoppierte sie nach hinten. Ein Rückwärtsgalopp, so etwas hatte Myriam noch nie erlebt und die Zuschauer genauso wenig, das sah man ihren verblüfften Gesichtern an.
âSliding Stop!â, befahl Sarah, die oben auf der Abtrennung des Reitplatzes saÃ. âJetzt!â
Myriam verlagerte ihr Gewicht und lehnte den Oberkörper weit zurück, sie hob den rechten Arm und warf den Fächer in die Luft. âWoaaah!â, schrie sie. Das war das Signal für den Sliding Stop, aber weil Camilla nun einmal rückwärtsgaloppierte, führte sie auch den Stop rückwärts aus. Sie schlitterte auf den Hinterläufen über die Sägespäne und blieb schlieÃlich wie ein braves SchoÃhündchen sitzen.
âUnd nun einen AuÃengalopp!â, rief Sarah, aber so sehr Myriam Camilla auch bedrängte, sie hatte ihre Ãbung abgeschlossen und wollte nicht mehr. Als Myriam die Fersen in ihre Seiten drückte, drehte die Stute den Kopf und versuchte sie zu beiÃen.
âLass das, Camilla, bist du verrückt!â, schrie
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