Myriams letzte Chance
Myriam erschrocken.
Ihre Eltern waren von ihren Sitzen aufgesprungen. âNun reià dich zusammen, Myriam, und zeig uns, was du draufhast!â, schrie ihr Vater. âDu bist doch kein HasenfuÃ!â
Myriam schwitzte. Camilla schnaubte drohend, wieherte schrill, dann sprang sie auf und begann sich wild aufzubäumen. Sie wollte Myriam loswerden, sie wollte sie abwerfen!
âLass dir nichts gefallen!â, brüllte ihr Vater. âZeig dem Gaul, was ein guter Reiter ist! Setz dich durch!â
Myriam beugte sich nach vorn und krallte ihre Hände in die Mähne der Stute. Sie hielt sich mit aller Kraft fest, aber es nützte nichts. Langsam rutschte sie über den Rücken des Pferdes nach hinten, dann glitt sie über die Kruppe und fiel.
Sie schlug aber nicht auf dem Boden auf. Sie fiel und fiel und dabei hörte sie ihre Mutter weinen.
âDas ist ein Albtraumâ, schluchzte jemand. âDas kann doch einfach nicht wahr sein!â
Myriam setzte sich auf. Ihr Kopf dröhnte. Durch die blauen Zeltwände drang Tageslicht in das Zelt. Der Platz neben Myriam war leer.
âHannah?â Myriam rieb sich die Schläfen. Wie spät war es, wie lange hatte sie geschlafen? Und wer um alles in der Welt weinte da drauÃen? Ihre Mutter war es bestimmt nicht, die hatte Myriam am Vortag nämlich wirklich zum Flughafen begleitet. Die ganze verrückte Vorführung war nur ein Traum gewesen.
âWenn Charlie etwas passiert, dann â¦â Das Schluchzen wurde lauter.
âOh, come on, April. Weâre going to find him any minute.â Das war Sues Stimme.
Der ReiÃverschluss am Zelteingang wurde aufgerissen. Hannah krabbelte herein und tastete nach ihrem Rucksack.
âWas ist denn da drauÃen los?â, fragte Myriam.
âDu bist wach? Wurde ja auch langsam Zeit.â
âWie viel Uhr ist es?â
âKurz nach sieben. Wir sind alle schon auf.â
âSo früh?â Myriam schälte sich aus ihrem Schlafsack. âIst was passiert? Warum hast du mich nicht geweckt?â
âHab ich versucht. Aber du hast geschnarcht wie ein Bär.â Hannah schob sich ganz nah an Myriam heran. âWeiÃt du schon das Neueste?â, flüsterte sie aufgeregt.
Was für eine bescheuerte Frage! Natürlich nicht.
âCharlie ist wegâ, erklärte Hannah. âJemand hat ihn aus dem Stall geklaut.â
âWas?â In Myriams Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Der dunkle Stall, die offene Scheune. Der Rückwärtsgalopp. Nein, das war ein Traum gewesen. Und die Riesen, die sie am frühen Morgen vor dem Zelt gehört hatte, hatte sie die auch nur geträumt? âWann ist es passiert?â, flüsterte sie atemlos.
âKeine Ahnung. April ist früh aufgewacht und wollte nach ihm sehen. Da war seine Box leer.â
Früh aufgewacht, was für ein Witz!, dachte Myriam. Bestimmt war April gar nicht erst schlafen gegangen.
âVielleicht hat April die Box auch nur nicht richtig zugemachtâ, sagte Hannah. âCharlie hat sich befreit und irrt jetzt irgendwo rum. Wir müssen ihn suchen.â
âDas könnte seinâ, meinte Myriam. âIch bin nämlich nachts mal aufs Klo. Da hab ich gesehen, dass die Stalltür offen stand. Ich hab sie zugemacht, aber vielleicht war Charlie da schon weg.â
âVielleicht war aber wirklich ein Dieb auf der Ranch. Er hat Charlie rausgeführt und danach die Tür nicht richtig zugemacht. Könnte auch sein.â
âAber warum sollte einer Charlie klauen?â
âWarum? Fragst du das im Ernst? Charlie ist ein Vermögen wert, hat April doch erzählt. Das reicht ja wohl als Grund.â
Myriam griff nach ihren Jeans. âHat Sue die Polizei schon alarmiert?â, fragte sie, während sie sich anzog.
Rührei mit Tränen
âApril und ich sollen auf die Polizeiwache kommen, um Anzeige zu erstattenâ, erklärte Sue. âIm Laufe des Tages schicken sie einen Beamten auf die Ranch, damit der die Spuren sichert. Vielleicht kann er aber auch erst morgen. Wir sollen nichts anfassen oder verändern.â
âWieso kommen die denn nicht sofort?â, fragte Myriam entsetzt.
âSie sind unterbesetzt, hat der Typ am Telefon gesagt. Und es gehe ja nur um ein Pferdâ, schnaubte Sue. âNur um ein Pferd. Thatâs incredible .â
âHast du ihnen nicht erzählt, wie viel Charlie wert
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