MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
ankamen. Ich habe nie wieder von ihr gehört - genauso, wie ich das Haus meines Vaters nie mehr betreten habe. Die Meuchlerbande hat es vor ihrem Abzug in Brand gesetzt, und obwohl ich alles versucht habe, konnte ich das Feuer nicht löschen. Die Flammen haben nur noch die Mauern übrig gelassen. Ich weiß gar nicht, ob die Ruine noch steht.« Damit erhob sich Kieran. »Lasst uns endlich schlafen gehen. Der Weg zum Donnerfelsen ist weit und wir sollten ausreichend Kräfte dafür sammeln.«
D ie grauen Riesensteine lagen im warmen Licht der Abendsonne. Weit und breit war kein Nebel zu sehen, und nicht der kleinste Dunstschleier waberte um sie herum, sodass Jessie sie zum ersten Mal eingehend und in aller Ruhe betrachten konnte. Sie entsprachen genau der Beschreibung in dem alten Buch:
»Wie trutzige Wächter der Zeiten recken sich die drei mächtigen Findlinge zum Himmel empor. Schon seit Jahrhunderten stehen sie auf der Ellerheide, ganz in der Nähe des Brodermoors, ohne dass ihnen jemand Beachtung schenkt. Kaum einer weiß nämlich um ihr großes Geheimnis: Die drei Steine haben den Anbeginn der Zeiten erlebt und bilden seitdem die Pforte zur Welt hinter den Nebeln. Denen, die die Zeichen richtig zu deuten wussten, öffnen sie den Weg nach Mysteria. Denn wenn die zwei zu einem werden, kann alles geschehen - so haben die Unsichtbaren es bestimmt.«
Danach wurden die drei Zeichen geschildert, die die Steine angeblich trugen: die Dagaz-Rune, die Ehwaz-Rune und schließlich die Mannaz-Rune.
Am Morgen nach ihrem Besuch im Ellerhof hatte Jessie sich das alte Buch noch einmal vorgenommen und es quergelesen. Weil der Senshei, Herr Noski, einige rätselhafte Andeutungen gemacht hatte. Auf dem Rückweg, kurz bevor sie sich verabschiedeten, hatte Jessie ihm nämlich von dem Buch erzählt und ihn gefragt, ob er es sich vielleicht einmal ansehen möchte.
Doch Herr Noski schüttelte nur den Kopf. »Vielen Dank, Jessie, aber das würde mir bestimmt nichts nützen.«
»Und warum sind mein Bruder und sein Vater dann so scharf auf den alten Schinken?«
»Nun«, antwortete der Senshei mit nachdenklichem Lächeln. »Weil sie vermutlich zu den Menschen gehören, die sich nur für den äußeren Anschein der Dinge interessieren und ihrem oberflächlichen Glanz erliegen. Deshalb sind sie blind für ihre tiefere und eigentliche Bedeutung.«
»Ach so«, antwortete Jessie, auch wenn sie das nicht so ganz verstanden hatte. »Dann halten Sie es also für Zeitverschwendung, wenn ich mich weiter damit beschäftige?«
»Das habe ich nicht gesagt, Jessie!« Das Gesicht des Sensheis war ungewöhnlich ernst. »Sich mit einem Buch zu beschäftigen, ist niemals Zeitverschwendung. Zudem gibt es bestimmt einen Grund, warum Niko sich ausgerechnet dafür interessiert hat.«
Jessie war überrascht. »Und welchen?«
»Das kann ich dir genauso wenig sagen wie Nikos Aufenthaltsort! Es gibt Dinge, die muss man schon selbst herausfinden, wenn man sie richtig begreifen will.« Ohne ein weiteres Wort der Erklärung reichte er ihr die Hand. »Mach’s gut, Jessie. Und vergiss bitte nicht, dich immer mit dieser Verbena-Lotion einzureiben!«
»Klar, wird gemacht«, antwortete das Mädchen. »Aber wo finde ich Sie denn, wenn ich Sie brauche?«
»In der Hütte am Nebelmoor. Und falls nicht, werde ich dich zu finden wissen.« Damit drehte Herr Noski sich um und ging.
Das alte Buch lag zum Glück noch an der gleichen Stelle, an der Jessie es zurückgelassen hatte - unter ihrem Kopfkissen. Auf dem Weg zum Haus war ihr ein schrecklicher Gedanke gekommen: Hoffentlich hatte ihr Bruder Maik sich das Buch nicht geschnappt! Der gierige Blick, mit dem er es in der Nacht angestarrt hatte, war schließlich nicht zu übersehen gewesen. Sie hatte sich deshalb schon Vorwürfe gemacht, es nicht in ihrem Geheimversteck verwahrt zu haben - aber zum Glück hatten sich ihre Befürchtungen als grundlos erwiesen.
Bei der Beschreibung der »Nebelpforte« war Jessie urplötzlich ein Verdacht gekommen: Hatten die Findlinge am Moor womöglich als reale Vorlage dafür gedient? Sie hatte spontan beschlossen, das an Ort und Stelle zu überprüfen. Und jetzt sah es tatsächlich so aus, als hätte sie richtig vermutet. Nur dass die Steine bestimmt nicht diese drei Zeichen trugen.
Oder vielleicht doch?
Als Jessie näher ging, um die Findlinge genauer zu betrachten, glaubte sie ihren Augen nicht zu trauen. Auf allen
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