MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
Aussage verwirrte Niko nur noch mehr. Dennoch wagte er nicht nachzufragen, sondern ließ Brani nur wissen, warum Kieran, Ayani und er den langen Weg zum Donnerfelsen auf sich genommen hatten: »Könnt Ihr mir sagen, wie ich das Königsschwert finden kann?«
Der Seher seufzte erleichtert... »Endlich!«... und dann antwortete er: »Auf dem gleichen Weg, auf dem der Falke sein Glück fand, werden auch die zwei, die zu einem werden, das Schwert finden.«
»Wie?« Niko machte ein ungläubiges Gesicht. »Was habt Ihr gesagt?«
»Auf dem gleichen Weg, auf dem der Falke sein Glück fand, werden auch die zwei, die zu einem werden, das Schwert finden«, wiederholte Brani.
»Und was soll das bedeuten?«
»Das musst du schon selbst herausfinden!«, beschied ihn der Seher. »Sonst hätten die Unsichtbaren dir das Schwert doch gleich in die Hände drücken können!«
Niko schüttelte verwirrt den Kopf.
Seltsamerweise schien das dem augenlosen Seher nicht entgangen zu sein. »Du hast keinen Grund zu hadern«, sagte er vorwurfsvoll. »Du solltest vielmehr dankbar sein, dass sie dir wenigstens die Kette aus dem Alwenhort ohne weitere Gegenleistung überlassen haben. Ohne diese Kette kann Sinkkâlion nämlich nicht gefunden werden und so macht dieses großzügige Geschenk deine Aufgabe um vieles leichter.«
Niko fuhr ein heilloser Schrecken in die Glieder. Die Kette … Er blickte Ayani Hilfe suchend an. Doch die wirkte mindestens genauso erschrocken wie er selbst.
»Was habt ihr denn?«, erkundigte Brani sich misstrauisch und richtete das augenlose Antlitz erst auf das Mädchen und schließlich auf Niko. »Sag bloß... Nein! Du hast... die Kette verloren?«
»Äh...«, stotterte Niko. »Es... äh...«
»Schweig!« Die helle Knabenstimme des Sehers überschlug sich fast und Zorn rötete sein seltsames Gesicht. »Wie kann man nur so töricht sein, einen solchen Vorteil so leichtfertig zu verspielen! Damit gerät natürlich alles durcheinander und das Schicksal ändert seinen Lauf. Jetzt kann niemand mehr wissen, ob du das große Ziel auch erreichen wirst.«
»Es tut mir leid«, versuchte Niko einzuwenden. »Aber ich konnte doch nicht wissen, wie wichtig die Kette ist. Außerde -«
»Wie töricht du doch bist!«, fiel Brani ihm ins Wort. »Warum sonst haben die Unsichtbaren dich mit dieser Aufgabe betraut?« Der Seher atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und fügte dann etwas besonnener hinzu: »Nun gut, es ist, wie es ist, und wir müssen uns damit abfinden, ob uns das passt oder nicht. Aber ich fürchte, auf die Hilfe der Unsichtbaren dürfen wir jetzt nicht mehr hoffen. Deshalb werde ich heute Nacht zu einem anderen Mittel greifen und mit Beginn der Dämonenstunde meine Runen befragen. Wenn das Schicksal es so will, offenbaren sie mir, wer sich im Besitz der Kette befindet. Gebt mir Zeit bis zum Sonnenaufgang, vielleicht kann ich euch dann eine Antwort geben.«
T homas Andersen sah seine Tochter interessiert an. »Das ist eine ziemlich kniffelige Frage. Über die ich mir übrigens schon selbst ein ums andere Mal den Kopf zerbrochen habe.«
»Echt?« Jessie musterte ihren Vater gespannt. »Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?«
Thomas schob seine randlose Brille zurecht, wuschelte durch seinen dichten Blondschopf, rollte mit dem Schreibtischstuhl vom Computertisch zurück und erhob sich. Nach einem Schluck aus seiner Kaffeetasse begann er in seinem Arbeitszimmer auf und ab zuwandern, während Jessie ihn von der kleinen Couch aus beobachtete.
»Also«, fing Thomas an. »Ob ein Buch oder eine Geschichte Realität werden kann, ist in erster Linie eine Frage der Definition. Was ist eigentlich Realität? Und wer sagt uns, dass das, was wir als Realität bezeichnen, tatsächlich real ist? Wer entscheidet das eigentlich?« Vor dem großen Bücherregal blieb er stehen und warf der Tochter einen fragenden Blick zu. »Kannst du mir das vielleicht sagen, Jessie?«
»Äh... nein. Natürlich nicht.«
»Eben!« Thomas Andersen breitete die Arme aus, als würde das seine Aussage bestätigen. »Ich glaube, das kann niemand mit endgültiger Sicherheit entscheiden. Deshalb kann ich deine Frage auch nicht allgemein beantworten, sondern nur aus meiner ganz persönlichen Sicht.«
Er setzte sich wieder auf den Stuhl und schlug die Beine übereinander. Der bläuliche Schimmer des Monitors spiegelte sich auf seinem immer noch
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