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MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)

MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)

Titel: MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freund
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neuen Namen verpasst: Oberöderkaff. Das klang zwar ziemlich gemein, traf aber den Nagel genau auf den Kopf.
     
    Dabei hatte Niko sich dort früher einmal ausgesprochen wohlgefühlt. Als kleiner Junge hatte er den Ellerhof, wie das Gehöft der Großeltern genannt wurde, geradezu geliebt. Das kleine Anwesen - Wohnhaus, Scheune und Stallgebäude - war etwas abseits vom Dorf gelegen, in der Nähe eines ebenso ausgedehnten wie dichten Waldes. Niko hatte fast jedes Jahr einen Teil der Sommerferien bei Opa Melchior und Oma Frida verbracht. Mit dem schmalen Bibliothekarinnen-Gehalt von Rieke waren gemeinsame Urlaubsreisen von Mutter und Sohn nämlich nur selten zu finanzieren. Was Niko überhaupt nicht störte. Im Gegenteil: Er war ausgesprochen gerne bei seinen Großeltern. Melchior und Frida waren schwer in Ordnung und kümmerten sich ganz rührend und liebevoll um ihn. Außerdem waren sie weit weniger streng als seine Mutter und ließen ihm viel mehr Freiheiten. Da sie sich zudem jedes Mal riesig über den Besuch ihres Enkels freuten, waren sie auch meistens allerbester Laune und immer für einen Spaß zu haben. Besonders Opa Melchior, mit dem Niko fast ständig zusammen war, vom frühen Morgen bis zum späten Abend.
     
    Niko half Melchior beim Füttern der Tiere, denn damals gab es auf dem Ellerhof noch eine ganze Menge davon: Kühe, Pferde, Schafe, Schweine, Kaninchen, Hühner und Gänse und noch einige mehr. Auch bei der Arbeit auf dem Feld ging Niko dem Opa zur Hand, beim Heumachen zum Beispiel oder beim Einbringen des Getreides. Und selbst außerhalb des Hofes war jede Menge los. Opa Melchior kannte die Umgebung wie seine Westentasche. Die raue Landschaft war wenig fruchtbar und bestand zum großen Teil aus kargem Heide- und Ödland, feuchten Hochmooren und sumpfigen Bruchwäldern. In den langen, strengen Wintern brausten eisige Schneestürme über das Land, die Sommer waren kurz und heiß und die restlichen Monate meistens mit dichten Nebeln verhangen. Trotzdem liebte Opa Melchior seine Heimat. Er kannte sich dort bestens aus, sodass er fast jede Frage seines wissbegierigen Enkels - selbst noch die abseitigste! - geduldig und erschöpfend beantworten konnte.
     
    Den krönenden Höhepunkt der Ferien aber bildete stets das große Lagerfeuer, das Opa Melchior im Obstgarten zwischen den alten Apfelbäumen anzündete. Niko saß dann bis spät in die Nacht mit den Großeltern zusammen, hörte das Knistern der brennenden Scheite, spießte Bratwürste und Marshmellows auf angespitzte Äste und brutzelte sie über den lodernden Flammen, um danach den Geschichten zu lauschen, die der Opa zum Besten gab. Ganz besonders liebte Niko die alten Sagen und Legenden, die man sich in früheren Zeiten - vor vielen Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten - in Oberrödenbach und Umgebung erzählt hatte. Inzwischen waren sie natürlich längst in Vergessenheit geraten und kaum jemand erinnerte sich noch daran.
     
    Opa Melchior aber hatte sie allesamt im Gedächtnis behalten. Er glich einem wandelnden Geschichtenlexikon, dessen Vorrat schier unerschöpflich zu sein schien. Er konnte stundenlang erzählen. Von Elfen und Kobolden, von Wiedergängern und Waldgeistern und anderen unheimlichen Wesen, die in früheren Zeiten angeblich die Gegend um Oberrödenbach unsicher gemacht hatten. Mit besonderer Vorliebe in hellen Vollmondnächten, in denen sie einsamen Wanderern erschienen und ihnen einen heillosen Schrecken einjagten. Andere Erzählungen wiederum handelten von Menschen, die auf geheimnisvolle Weise in eine fremde Welt gelangt waren und dort sagenhafte Schätze entdeckten, die sich nach ihrer Rückkehr auf die Erde allerdings stets als völlig wertlos erwiesen. Obwohl Niko natürlich wusste, dass es nur Geschichten waren, gruselte es ihn beim Zuhören ein ums andere Mal. Und wenn der Opa dann von den unheimlichen Werwesen erzählte, menschenähnlichen Geschöpfen, die die Gestalt von Tieren annehmen konnten, um als Wölfe oder Bären Jagd auf ihre Opfer zu machen, liefen ihm sogar eiskalte Schauer über den Rücken. Sobald die Flammen kleiner wurden, der Mond sich hinter den dunklen Wolken verkroch und die schaurigen Rufe der Käuzchen und anderer Nachttiere aus dem Wald erklangen, hatte Niko manchmal den Eindruck, dass all die Elfen, Feen, Werwölfe und anderen fantastischen Geschöpfe aus der Welt, von der Melchior erzählte, direkt vor seinen Augen zwischen den Bäumen am Waldrand herumgeisterten.
     
    Aber all das war nun schon

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