MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
getragener Ungeduld am großen Tisch des Thronsaals. Sein Kopf sah aus wie der einer Krähe. Er war über und über mit schwarzem Gefieder bedeckt, das lediglich Platz für die beiden dunklen Knopfaugen und seinen schnabelförmigen Mund ließ. Auch seine Handrücken und die übrigen sichtbaren Partien seiner Haut waren mit schwarzen Federn bedeckt, die einen seltsamen Kontrast zu seiner kostbaren Kleidung bildeten: Er trug nämlich ein Gewand aus roter Seide, das mit goldenen und silbernen Borten verziert war. Die enge Seidenhose vom gleichen Farbton steckte in langen Schaftstiefeln aus goldener Drachenhaut.
Während Rhogarr mit dem Herzog im Gefolge auf den Krähenmann zueilte, versuchte er, sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen. Dabei gärte es in ihm ganz gewaltig. Dass König Mordur Kra’nakk, der Gebieter des aufgeplusterten Kerls da vor ihm, der mächtigste Herrscher von ganz Mysteria war und über die größte Streitmacht des Landes gebot, verlieh ihm noch lange nicht das Recht, sich so hochnäsig zu benehmen. Doch Rhogarr behielt diesen Gedanken lieber für sich. Die berühmten Krähenmänner hatten einen großen Einfluss auf den Machthaber des Grimmen Reiches und waren wegen ihrer Verschlagenheit und Rachsucht weithin gefürchtet. Es war deshalb besser, es sich mit dem Gesandten nicht zu verscherzen.
Rhogarr mühte sich also um ein freundliches Lächeln und breitete die Arme weit aus. »Seid mir gegrüßt, Edler von Kraak!«, sprach er den Krähenmann an. »Verzeiht, wenn Ihr warten musstet. Aber ich...«, er tauschte einen spöttischen Blick mit dem Herzog, »… war mit wichtigen Geschäften betraut!« Damit wollte er ihn zum Zeichen des Willkommens umarmen und an seine Brust ziehen.
Der Gesandte jedoch rührte sich nicht von der Stelle und machte keinerlei Anstalten, die freundliche Geste zu erwidern. »Schon gut, Rhogarr«, krächzte er aus seinem leicht geöffneten Schnabel. »Jetzt seid Ihr ja da.«
Der Marschmärker kniff das gesunde Auge zusammen. Das Benehmen dieses Vogelviehs war einfach unfassbar! Noch niemand hatte gewagt, ihn auf so herablassende Weise zu behandeln. Eines Tages würde er dem aufgeblasenen Tiermenschen, den er ohnehin im tiefsten Herzen verachtete, seine Arroganz ganz sicher heimzahlen. Doch im Moment blieb Rhogarr leider nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Rhogarr schluckte also seinen Ärger hinunter, ließ sich auf seinem Thronsessel nieder und brüllte den Bediensteten an, der bei der Tür stehen geblieben war. »Worauf wartest du noch, du nichtsnutziger Tölpel? Bring endlich Wein für unseren Gast - den besten, den wir im Keller haben!«
»Spart Euch die Mühe!« Der Gesandte machte eine verächtliche Geste mit der schwarz gefiederten Hand. »Ich mache mir nichts aus Wein. Das Zeug bekommt mir nicht und schlägt mir nur auf den Magen. Zudem möchte ich Eure Zeit nicht länger als unbedingt nötig in Anspruch nehmen.«
»Wie Ihr wünscht, Edler Herr«, stieß Rhogarr zwischen seinen Zähnen hervor. »Dann lasst schon hören, warum Euer König, mein hochverehrter Freund Modur, Euch zu mir geschickt hat.«
»Aber gerne doch, mit dem größten Vergnügen.« Die dunklen Knopfaugen des Krähenmannes funkelten vor Spott, während er sich vom Tisch löste und vor den Thron trat. »König Kra’nakk, mein Herr und Gebieter, schickt mich zu Euch, damit ich Euch an das Versprechen erinnere, das Ihr ihm vor vierzehn Sommern gegeben habt.«
Rhogarr räusperte sich und bemühte sich um eine feste Stimme. »Das ist sehr großherzig von Eurem Herrn, wäre allerdings nicht nötig gewesen. Ich habe noch niemals ein gegebenes Wort vergessen und werde auch in diesem Falle selbstverständlich dazu stehen. Ich bin schließlich ein Mann von Ehre, wie auch König Modur bekannt sein dürfte.«
»Aber natürlich, Rhogarr!« Der schnabelförmige Mund des Krähenmann klackte leicht. »Wer in Mysteria wüsste das nicht?«
Rhogarr tastete heimlich unter seinem Gewand nach dem Knauf seines Schwertes.
Der Krähenmann tat, als würde er davon nichts merken. »Obwohl mein Herr mit größter Langmut gesegnet ist«, fuhr er ungerührt fort, »neigt sich seine Geduld allmählich doch dem Ende zu. Zumal sein Wahrsager erst jüngst auf eine Weissagung in einem alten Pergament gestoßen ist - wonach Sinkkâlion schon bald gefunden wird.«
»Sinkkâlion?«, rief Herzog Dhrago überrascht und musterte seinen Gebieter
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