MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
zu. »Lauf, so schnell du kannst, und bring dich in Sicherheit.«
Das Mädchen warf ihm einen bangen Blick zu. »Und was ist mit dir?«
»Sorge dich nicht um mich«, keuchte Arawynn. »Ich komme schon alleine zurecht.«
Ayani überlegte noch einen Augenblick - und das wurde ihr zum Verhängnis. Noch ehe sie davonspringen konnte, packte Grymm sie mit der linken Hand an den Haaren und schlang ihr den Schwertarm von hinten um den Hals. Obwohl sie sich heftig wehrte, mit beiden Fäusten nach ihm schlug und mit den Füßen nach ihrem Gegner trat, wurde sie gnadenlos festgehalten.
»Hiergeblieben, mein Täubchen«, zischte Grymm ihr ins Ohr.
»Du wirst dir doch den Tod deines Bruders nicht entgehen lassen wollen?«
Eine Welle von Übelkeit stieg in Ayani auf. Sie versuchte, sich wegzudrehen, doch es gelang ihr nicht. Grymms Arm schnürte ihr fester und fester den Hals zu, sodass sie kaum mehr Luft bekam. Ein letzter Schrei rang sich aus ihrer Kehle und schallte durch den Wald wie ein Todesschrei.
Der Nebel war so schnell verschwunden, wie er entstanden war, und Niko stand wieder auf der grasbewachsenen Hochebene. Ein Schrei ertönte, und blitzartig durchzuckte Niko die Erkenntnis, wer da schrie. Ihm war nicht klar, warum er das wusste, aber er wusste es einfach: Das war das dunkelhaarige Mädchen mit der Schleuder, dem er am Tage zuvor während seines kleinen Abstechers in die Welt hinter den Nebel begegnet war.
Er sah sie förmlich vor sich! Instinktiv begann Niko zu laufen. Dem Schrei nach zu urteilen, konnte das Mädchen nicht mehr weit entfernt sein. Wie ein Wolf auf Beutejagd stürmte er los, dahin, wohin der Schrei ihn leitete: direkt hinein in den nahe gelegenen Wald. Niko jagte unter den riesigen Bäumen dahin, sprang über Wurzeln und Baumstümpfe und wich geschickt tief hängenden Ästen und Zweigen aus. Dass der Anhänger an seinem Hals wieder schwerer geworden war und in den schrägen Lichtspeeren, die das dichte Laubdach durchdrangen, golden glänzte, registrierte er nur beiläufig. Gebückt rannte Niko noch zwischen zwei dicht stehenden Birken hindurch und gelangte schließlich auf eine kleine Lichtung.
Schwer atmend verharrte er für einen Moment, um sich einen Überblick zu verschaffen: Rechts von ihm hieb ein finsterer Typ wie von Sinnen mit dem Schwert auf einen Jungen ein, der, obwohl ebenfalls mit einem Schwert bewaffnet, sich den wütenden Attacken nur mit größter Mühe erwehren konnte.
Einige Schritte davon entfernt stand ein weiterer Krieger - ja, man konnte ihn gar nicht anders bezeichnen, denn die Kerle hier sahen wirklich aus, als wären sie dem Mittelalter entsprungen - und wandte ihm den Rücken zu. Der Zweite trug einen Helm mit zwei Hörnern und hielt ein Mädchen umklammert, auch wenn Niko das mehr ahnen als richtig erkennen konnte. Es war das Mädchen, das er kannte, Niko fühlte es geradezu. Und wie zur Bestätigung stieß sie erneut einen Schrei aus, so tief verzweifelt, dass es ihm einen Stich ins Herz versetzte.
Hastig tasteten Nikos Blicke den Waldboden nach einem Gegenstand ab, der ihm als Waffe dienen konnte. Seine Augen weiteten sich, als er den kräftigen Ast erspähte, der ganz in seiner Nähe lag. Er war fast kerzengerade, rund eineinhalb Meter lang, vielleicht vier Zentimeter dick - und wies damit ähnliche Maße wie ein Bo auf, der japanische Kampfstock, der ihm aus dem jahrelangen Kendo-Training bestens vertraut war.
Nur Augenblicke später hatte Niko den Ast gepackt, ließ ihn geschickt in seiner Hand herumwirbeln und hetzte auf den Behelmten zu. »Lass sie sofort los, du Schwein!«, schrie er den Kerl wütend an und zog ihm den Prügel mit aller Kraft über den Schädel, sodass der Helm mit den Hörnern von seinem Kopf gewirbelt wurde.
Der Mann stieß einen lauten Schmerzensschrei aus, ließ das Mädchen los und fuhr herum. Bei Nikos Anblick wirkte er für einen Moment überrascht. Offenbar hatte er mit einem erwachsenen Gegner gerechnet. Dann verzerrte ein bösartiges Grinsen seine verunstaltete Visage. »Noch so ein Balg - wie niedlich!«, keuchte er. »Du sollst mein Schwert schmecken!« Damit hob er die Waffe, stürzte sich blindlings auf den Jungen - und lief ins Leere.
Wie Niko es zahllose Male im Training geübt hatte, war er mit einem blitzschnellen Schritt zur Seite getreten, sodass der Angreifer ihn verfehlte. Erneut ließ er seinen Stock wirbeln und verpasste dem Krieger einen zweiten Hieb.
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