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Mysterium

Mysterium

Titel: Mysterium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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wucherndem Gestrüpp und Gras. Von der Stelle, wo er stand, stieg das Gelände bis zu einer langen Reihe von Büschen an, die offenbar die Begrenzung eines Gartens markierten. Dahinter konnte er den schiefergrauen Morgenhimmel sehen.
    Plötzlich wusste er, wo er war. Er trat ins Freie und stieg den Abhang hinauf , folgte einer Spur, die einst ein Weg gewesen sein mochte, nun aber von Unkraut überwuchert war und von glitschigem Schlamm bedeckt wurde. Er rutschte aus und landete auf allen vieren. Während er sich aufrappelte, blickte er sich um und sah das Haus, aus dem er gerade gekommen war: verlassen, zugenagelt und mit dem seltsamen Türmchen, an das er sich erinnerte. Das Haus stand im hinteren Teil des ungepflegten, verwilderten Gartens, durch den er sich nach oben kämpfe. Irgendetwas an diesem Haus ließ ihn an einen einzelnen Zahn in einem verrottenden Kiefer denken, wie schon voriges Mal.
    Voriges Mal? Aber wie konnte es ein voriges Mal geben? Es sei denn, das vorige Mal war eine Art prophetischer Albtraum gewesen, ein kurzer Blick auf seine Zukunft, und jetzt erlebte er die Wirklichkeit.
    Aber er glaubte nicht an übersinnliche Wahrnehmungen und so etwas. Er hatte noch nie daran geglaubt.
    Also war das hier sicherlich …

    »Liebling? Was ist los? Was ist mit dir?«
    Er spürte eine Hand auf dem Arm und zog ihn mit einem Schrei der Wut und Angst weg. »Nein!«
    »Tom!«
    Es war Clares Stimme. In der Dunkelheit. Er war wieder in der Dunkelheit, in diesem grässlichen Haus.
    Ein Licht flammte auf. Tom sah ihre Hand an der Nachttischlampe.
    »Du hattest einen Albtraum, Schatz.«
    »Nein, ich …«
    Wieder spürte er ihre Hand auf seinem Arm, aber diesmal zog er ihn nicht weg. »Tut mir Leid, ich … ich dachte, ich bin in diesem Haus …«
    »Welches Haus?«
    »Irgendwo … weiß nicht, wo oder was …«
    Als er sich aufrichtete, legte er eine Hand auf die Stirn, als könnte er auf diese Weise das Schwindelgefühl vertreiben.
    »Du hast wie ein Verrückter gestrampelt.«
    »Ich bin vor irgendwas weggelaufen …«
    Während er sprach, bemerkte er, dass er immer noch außer Atem war und sein Herz raste.
    »Wovor?«
    »Ich weiß es nicht. Es war nur ein Traum … verrückt …«
    »Ist wirklich alles in Ordnung?«
    »Es geht mir gut. Entschuldige, dass ich dich geweckt habe. Schlaf weiter.«
    Beide legten sich wieder hin. Clare knipste das Licht aus. Eine Zeit lang lagen sie schweigend nebeneinander, bis Clare fragte: »Warum erzählst du es mir nicht?«
    »Da gibt’s nichts zu erzählen«, antwortete er und fügte hinzu: »Nur, dass ich nicht alleine schlafen möchte.«
    »Was meinst du damit?«
    Er spürte die Bewegung, als sie sich im Dunkeln zu ihm umdrehte. »Weißt du, wie man am schnellsten ein Zimmer leer bekommt?«, sagte er. »Erzähl den Leuten deine Träume.«
    Clare lachte und streckte die Hand nach ihm aus. Sie nahmen sich in die Arme und dachten nicht mehr ans Reden.

11
    »Brendan Hunt ist in diesem Fall der Richtige«, sagte Bella Warne. »Er hat an der Harvard Medical School unterrichtet, bevor er sich für ein ruhigeres Leben entschieden hat. Der Mann ist erstklassig. Er hat in den letzten Jahren mehrere Arbeiten veröffentlicht, die große Beachtung gefunden haben.«
    Bella setzte alle Hebel in Bewegung und bekam einen Termin für den übernächsten Tag. Dr. Hunt war ungefähr in Toms Alter, hatte dichtes, sandblondes Haar, einen offenen Blick und gepflegte Hände, die er im Schoß gefaltet hielt, selbst wenn er sich vorbeugte, um Julia eine Frage zu stellen. Er trug ein Tweedsakko über einem Jeanshemd und hatte eine leichte, beiläufige Art, sodass Eltern und Kind sich auf Anhieb wohl fühlten.
    »Du weißt, wer das ist, nicht wahr?«, fragte er Julia und zeigte dabei auf Clare.
    »Mommy«, antwortete sie.
    »Und das?«, fragte er und deutete mit einem Nicken auf Tom.
    »Daddy.«
    Er machte einen Augenblick Pause und ließ ihre Antworten im Raum stehen.
    »Hast du noch eine andere Mommy und einen anderen Daddy?«, fragte er.
    Julia sah auf den Boden, als wäre sie plötzlich unsicher, wie sie mit dieser Frage umgehen sollte.
    »Das ist schon in Ordnung. Du kannst es uns ruhig sagen.«
    »Ja«, sagte sie, ohne hochzusehen.
    »Sind die jetzt hier?«
    Julia schüttelte den Kopf.
    »Wo sind sie denn?«
    »Weiß nicht.«
    »Kannst du uns sagen, wie sie aussehen? Vielleicht kannst du sie für uns malen.«
    Jetzt blickte Julia hoch, sah aber nicht ihre Eltern an, sondern Hunt. Als sie

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