Mysterium
dachte einen Augenblick nach und sah dann wieder Tom an.
»Warum glauben Sie, dass diese Melanie Hagan beschlossen hat – angenommen, sie ist tot –, gewissermaßen in Person Ihrer Tochter zurückzukehren?«
»Das habe ich mich selbst auch schon gefragt«, antwortete Tom, »und ich habe keine Ahnung.«
»Es ist typisch für diese Phänomene, dass es keinen erkennbaren Sinn gibt«, warf Lewis ein. »Es gibt eine ganze Gruppe von Fällen, wo die Erinnerungen und die Persönlichkeit eines Verstorbenen in einem jüngeren Mitglied der eigenen Familie wiedergeboren zu werden scheinen, aber selbst da bin ich nie auf einen Fall gestoßen, dass jemand mit einem bestimmten Ziel zurückkehrt – Sie wissen schon, das Testament liegt in einer Blechbüchse unter der Treppe, so etwas in der Art.«
Als Antwort grunzte Schenk nur. Er hatte das Kinn auf die Brust gesenkt und starrte auf seinen wohl gerundeten Bauch. Tom nahm an, dass er weitere Fragen durchging, die er gern gestellt hätte, sich dann aber entschloss, diese Fragen zurückzustellen, um sich auf das unmittelbare Anliegen seiner Besucher zu konzentrieren. Mit einem kurzen, ein wenig abschätzigen Schnauben, als wäre Metaphysik kein Thema, auf das ein Cop seine Zeit verschwenden sollte, blickte er auf.
»Gut«, sagte er. »Ich werde Ihnen helfen, wenn ich kann. Es ist lange her, und ich kann nicht behaupten, dass ich mich an den Fall erinnere. Aber ich werde meine Notizbücher ausgraben und sehen, was ich finde. Gießen Sie sich noch einen Kaffee ein.«
Das taten sie, während Schenk in der Schublade einer großen Kommode kramte. Schließlich holte er eine Hand voll zerfledderter Notizblöcke heraus, fragte seine Besucher nach dem genauen Datum von Melanies Verschwinden und wählte dann eins der Notizbücher aus. Er blätterte mehrere Seiten durch, runzelte die Stirn und nickte schließlich.
»Okay, ich hab’s … Ja, ich kann mich dunkel an diesen Kerl erinnern … Sawyer, Joseph Anthony Sawyer … Schwager des vermissten Mädchens …«
Er blätterte ein, zwei Seiten weiter, dann wieder zurück.
»Ich kann Ihnen nicht viel erzählen. Das Mädchen wurde in Buffalo von einem Paar mitgenommen, das nach Osten gefahren ist. Danach scheint die Spur kalt zu werden. Ohne die Akten einzusehen, kann ich nicht sagen, ob der Fall offiziell abgeschlossen ist oder nicht …«
»Der Fall ist noch nicht abgeschlossen«, erklärte Tom. »Das Mädchen wurde nie gefunden.«
Schenk blätterte noch einmal um; dann kippte er den Notizblock leicht auf die Seite, um etwas zu lesen, das er auf den Rand gekritzelt hatte. »Der Officer, der von Buffalo aus ihre Spur verfolgt hatte, war Detective Jack Edwards. Ich kenne Jack, wir haben zusammen gearbeitet. Er ist noch im Dienst – Sergeant ist er jetzt. Ich rufe ihn gern für Sie an, ob er Ihnen überhaupt helfen kann.«
Tom und Lewis warteten gespannt, während Schenk eine Nummer wählte, die in einer Rollkartei verzeichnet war, und nach wenigen Augenblicken mit seinem alten Kollegen verbunden wurde. Sie hörten nur Schenks Anteil am Gespräch, als er und Edwards sich eine Zeit lang die letzten Neuigkeiten über Freunde und Familie erzählten und über ein paar alte Insiderwitze lachten. Dann kam Schenk zur Sache und nannte den Grund seines Anrufs. Er hörte eine Weile schweigend zu, bevor er mit der Hand den Hörer abdeckte und sich seinen beiden Besuchern zuwandte.
»Er erinnert sich auch nicht besser als ich, aber er sieht im Computer nach.«
Die drei Männer warteten schweigend. Nach ein paar Minuten meldete Edwards sich wieder und sagte etwas, das bei Schenk ein verwundertes Stirnrunzeln hervorrief.
»Bist du ganz sicher?«, fragte er, hörte eine Weile zu und sagte dann: »Okay, vielen Dank, Jack. Ich sag’s Ihnen. Ja, du auch. Mach’s gut, alter Junge.«
Er legte auf »Den Computeraufzeichnungen zufolge wurde berichtet, dass das Mädchen gesund zu ihrer Familie zurückgekehrt ist – sechs Tage, nachdem sie vermisst gemeldet wurde.«
27
Der Nachmittag war zur Hälfte vorbei, als Tom und Lewis Buffalo erreichten. Schenk hatte noch einmal dort angerufen, um anzukündigen, dass sie unterwegs seien. Sergeant Jack Edwards kam nach vorn zum Schalter der Wache, um sie dort in Empfang zu nehmen, als sie sich meldeten.
»Wir könnten einen Kaffee trinken«, schlug er vor. »Wir könnten aber auch in eine Kneipe, in der es um diese Tageszeit ziemlich ruhig ist.«
Tom und Lewis hatten genug Kaffee getrunken und entschieden
Weitere Kostenlose Bücher