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Mysterium

Mysterium

Titel: Mysterium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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umrisshafte Gestalt im Gegenlicht. Er zog die Kordel seines Bademantels um seine Taille fest und zögerte, schien unschlüssig zu sein, ob er hereinkommen sollte.
    »Schatz, sieh mal«, sagte Clare zu Julia, »da ist Daddy. Es geht ihm wieder gut.«
    Julia schaute ihrer Mutter über die Schulter; in ihren Augen lag noch immer Angst.
    »Es tut mir Leid«, flüsterte Tom kraftlos. »Es tut mir sehr Leid, mein Schatz. Ich wollte dich nicht in Angst versetzen …«
    Betroffen beobachtete er, wie seine Tochter sich aus Furcht vor ihm noch fester an ihre Mutter klammerte. Dann aber, als wäre sie sich plötzlich des Schmerzes bewusst geworden, den sie ihrem Vater bereitete – vielleicht auch aus Dankbarkeit, dass er wieder er selbst war –, streckte sie ihm die Arme entgegen.
    Tom lief zu ihr. Das Gefühl, von ihren kleinen Armen umfasst zu werden, brachte ihm so viel Trost, wie er es nicht zu hoffen gewagt hatte. Er drückte sein Gesicht in ihr weiches blondes Haar und verbarg seine Tränen darin.

    Eine halbe Stunde später, nachdem sie Julia wieder ins Bett gebracht hatten, saßen Tom und Clare in ihren Bademänteln in der Küche und tranken milden Zitronentee.
    »Es ist immer dasselbe, jedes Detail«, sagte Tom, »nur dass der Traum sich nach und nach verändert.«
    »Inwiefern?«
    »Zuerst war ich in einem verwilderten Garten, dann in dem Haus selbst, dann in einem Keller, und jetzt bin ich in einem bestimmten Teil des Kellers.«
    »Und du hast immer noch nicht gesehen, wovor du davonläufst?«
    Tom antwortete nicht sofort. Er hatte Clare noch nichts von dem Mädchen in seinem Traum erzählt; allerdings hatte er ihr am Tag zuvor von seinem Gespräch mit Mrs. Macabee berichtet.
    »Dass das Mädchen nach Albany wollte, bedeutet nicht notwendigerweise, dass sie auch hier angekommen ist«, war Clares erste Reaktion gewesen.
    »Ich weiß«, hatte Tom entgegnet, »aber es ist schon ein ziemlicher Zufall.«
    Das Gespräch hatte ebenfalls in der Küche stattgefunden. Clare hatte fürs Abendessen Gemüse geschnitten. Sie sah Tom von der Seite an, als wollte sie einschätzen, ob er ihr mehr zu sagen versuchte, als er vorhatte. »Welches Wort würdest du benutzen?«, fragte sie.
    Er zuckte die Schultern und versuchte ihr zu zeigen, dass er diesem Punkt keine große Bedeutung beimaß. »Es ist eine Verbindung, mehr nicht.«
    Clare widmete ihre Aufmerksamkeit wieder dem Gemüse. »Hast du Oliver Lewis davon erzählt?«
    »Nein. Ich habe keinem davon erzählt, nur dir.«
    Dabei hatten sie es belassen. Nun aber, wach und allein und mitten in der Nacht, erkannte Tom, dass er Clare auch den Rest erzählen musste.
    »Da ist noch etwas …« , begann er, über seine Tasse gebeugt, die auf dem Tisch vor ihm stand, ohne Clare anzuschauen.
    »Und was?«, fragte sie.
    »Ich weiß, wovor ich in dem Traum weglaufe.«
    Es dauerte nur wenige Augenblicke, um ihr von dem Mädchen zu berichten, doch die Stille, die einsetzte, als Tom verstummte, dehnte sich schier endlos. Schließlich begann er, die Sekunden zu zählen. Zehn, zwanzig, dreißig … und Clare hatte noch immer nichts gesagt, hatte ihn nicht angesehen oder sonst wie reagiert.
    »Ich muss wissen, was du denkst«, sagte Tom schließlich.
    Clares Stimme war tonlos. »Es ist nur ein Traum. Wie könnte ein Traum etwas bedeuten?«
    »Ich weiß es nicht. Aber es macht mir Angst …«
    Clare blickte ihn an. Er sah, dass es auch sie ängstigte. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen.
    »Was willst du damit sagen? Dass du dieses Mädchen getötet hast?«
    »Ich sage nur, dass die Zeit passt, und auch der Ort …«
    »Welcher Ort?« In ihrer Stimme lag nun Zorn. »Irgendein verrücktes altes Herrenhaus … wahrscheinlich eins, das du mal irgendwo gesehen hast und das sich dir aus irgendwelchen Gründen eingeprägt hat. Na und? Du bist wegen dem, was mit Julia passiert, von diesem Hagan-Mädchen besessen! Wir beide! Und deshalb träumst du jetzt von ihr. Das ist doch nicht so schwer zu verstehen. Das ist ganz normal. Das macht dich doch nicht zum Mörder!«
    »Ich weiß nicht … Du hast mich nicht gekannt. Ich wäre zu allem fähig gewesen, ohne mich daran zu erinnern.«
    » Glaubst du, du hast dieses Mädchen getötet?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich schon. Ich will es nicht glauben.«
    Clare rutschte von dem Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, und ging zu ihm. Auch Tom stand auf und streckte ihr die Arme entgegen. Doch statt sich an ihn zu kuscheln, wie sie es normalerweise getan hätte,

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