Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mysterium

Mysterium

Titel: Mysterium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
Vom Netzwerk:
»verhaltensgestört« ist, war damals einfach nur eine Nervensäge.
    Cassie sah, dass sie mich an der Leine hatte, und war fest entschlossen, mich völlig auszuschalten. Ich glaube, ihr höchster Ehrgeiz war es, mich in den Selbstmord zu treiben, und es wäre ihr vielleicht gelungen, wäre nicht das Schicksal eingeschritten – in Form jenes »Unfalls« in Colorado.
    Von meinem achten Lebensjahr an, bis ich zehn war, setzte meine Schwester gnadenlos Sex als Waffe gegen mich ein. Sie entwickelte zu der Zeit weibliche Formen, und es war nicht zu leugnen, dass sie ein attraktives Mädchen war. Ich sah, wie die Jungs sie voller Gier anstarrten – auch erwachsene Männer, und zwar mehr als genug, einschließlich der Freunde meiner Eltern, die glaubten, dass es niemand mitbekam, dass sie einen kleinen Extrablick riskierten, wenn Cassie sich vornüber beugte oder wenn am Swimmingpool der Träger von der Schulter glitt und der ganze Badeanzug »unabsichtlich« ins Rutschen kam. Meine Schwester tat niemals etwas unabsichtlich.
    In meinem Fall erregte sie meine natürliche Neugier auf den weiblichen Körper, indem sie dafür sorgte, dass ich genug von ihr zu sehen bekam, während sie so tat, als wüsste sie nicht einmal, dass ich da war. Wenn sie fertig war, drehte sie sich zu mir um und warf mir vor, ich würde sie heimlich angaffen. Manchmal blieb ihr Gezeter nur eine Sache zwischen uns beiden, aber öfter als mir lieb war, richtete sie es so ein, dass ihr Geschrei das ganze Haus darauf aufmerksam machte, dass ihre unbefleckte Reinheit und ihre Schamhaftigkeit durch die schmutzige, hinterhältige Geilheit ihres sexbesessenen kleinen Bruders besudelt wurden. Ich spürte, dass ich als Ergebnis ihrer Taktik zunehmend als das betrachtet wurde, was die Leute – einschließlich meiner Eltern – sich von den Schuhsohlen kratzten, wobei sie angewidert die Nase rümpften.
    Dass dies alles während der ersten Zeit meines eigenen sexuellen Erwachens geschah, war besonders schmerzhaft, jedoch zweifellos Teil ihres Planes. Eines Morgens erwachte ich mit einer gewaltigen Erektion, die einfach nicht verschwinden wollte. Ich versuchte alles, was mir in den Sinn kam, doch ohne Erfolg.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass meine Schwester ins Badezimmer platzte, wo sie mich bei dem hastigen Versuch, das Problem in meinem Pyjama zu verbergen, vornübergebeugt vorfand. Zu Anfang lachte sie mich wegen meiner Verlegenheit aus; dann wechselte sie abrupt den Gesichtsausdruck, lief aus dem Raum und schrie, ich hätte sie gezwungen, mein »Ding« anzusehen, und sogar von ihr gewollt, dass sie es anfasste. Zu der Zeit war es die schlimmste Lüge, die sie je über mich erzählt hatte, und ich wusste, dass ich es ihr nie verzeihen würde. Was unsere Eltern sagten – die zu peinlich berührt waren, das Problem direkt anzugehen –, weiß ich nicht mehr genau, nur dass sie vorschlugen, ich solle in Zukunft darauf achten, die Tür abzuschließen. Aber ich erinnere mich an die verletzten Seitenblicke, das Räuspern und den raschen Themenwechsel, sobald ich ein Zimmer betrat, und das unausweichliche Gefühl, dass ich etwas Fremdartiges, Unerwünschtes und Schmutziges war.
    Dann kam der Zwischenfall mit Naomi. Naomi Chase war nicht nur die beste Freundin meiner Schwester, sie sah ihr auch zum Verwechseln ähnlich. Die beiden wurden ständig für Schwestern gehalten, manchmal sogar für Zwillinge, auch wenn sie sich nicht völlig glichen. In ihrer gemeinen, boshaften und hässlichen Natur allerdings glichen sie sich vollkommen. Wie sehr, fand ich heraus, als Naomi eines Tages vorschlug, sie und ich sollten uns allein treffen, ohne meine Schwester. Sie sagte es ganz beiläufig: Ich könne doch am nächsten Nachmittag mal zu ihr herüberkommen. Nicht zum Haus ihrer Eltern, sondern zu einem Bootshaus, das sie am See hatten. Sie wollte mir etwas zeigen, wollte mir aber nicht sagen, was es war. Wenn ich morgen dort hinginge, würde »alles enthüllt«.
    Die Art, wie sie es sagte, ließ keinen Zweifel offen, wovon sie redete. Ich war neun, sie war gerade dreizehn. Es war ein Angebot, das weder ich noch sonst ein normaler Junge hätte ablehnen und dabei auch nur ein Fitzelchen Selbstachtung behalten können.
    Es war ein warmer Nachmittag im Hochsommer. Ich fand Naomi, die auf mich wartete, allein vor. Zuerst küsste sie mich, dann fragte sie mich, ob ich jemals ein nacktes Mädchen gesehen hätte. Natürlich hatte ich meine Schwester ziemlich freizügig gesehen

Weitere Kostenlose Bücher