Mystic City Bd 1 - Das gefangene Herz
hat, um bei den Dreharbeiten zuzuschauen. Glücklicherweise ist der Set abgesperrt, aber ich höre deutlich ihre Rufe:
»Aria! Wir lieben dich!«
»Thomas ist so scharf!«
»Ich möchte euch beide heiraten!«
Das ist mir peinlich und vor lauter Verlegenheit muss ich lachen. Schon als Kind habe ich häufig in der Öffentlichkeit gestanden, doch bisher habe ich mich nie als Berühmtheit gefühlt. Zwei Mädchen schwenken ein selbst gemaltes Plakat mit der Aufschrift: VERBOTENE LIEBE AUF EWIG!
Es schmeichelt mir, dass unsere Romanze die Bewohner der Horste mehr bewegt als dieser schreckliche Anschlag. Aber es macht mir auch Angst.
Ich möchte darüber mit Thomas sprechen, aber der redet gerade mit ein paar Mädchen, die VIP -Pässe haben und ihm TouchMes entgegenhalten, damit er ihnen ein elektronisches Autogramm geben kann.
Meine Mutter kommt zu mir und klopft mir auf die Schulter. »Du warst … gut, Aria.« Das falsche Kompliment bereitet ihr offenbar körperliche Schmerzen. »Der Werbespot soll schon Ende der Woche gezeigt werden. So viele Menschen wie möglich sollen ihn sehn, auch die Bewohner der Tiefe.«
Ein Großteil der Armen kann sich keinen eigenen Fernseher leisten, deshalb hat die Stadt riesige Monitore auf öffentlichen Plätzen anbringen lassen, um Bekanntmachungen der Regierung auszustrahlen. Dort wird dann wohl auch unser Wahlkampfspot zu sehen sein.
»Ich muss zu Olive und Pimentos zur Anprobe«, fährt Mom fort. »Mein Kleid für das Probedinner ist fertig. Hat man mir jedenfalls gesagt.« Sie verdreht die Augen. »Bei diesen Leuten weiß man ja nie. Möchtest du mich begleiten?«
Ich blicke zu Thomas herüber, der noch immer damit beschäftigt ist, Autogramme zu geben. Er und Garland müssen gleich zu einer Strategiesitzung für die Wahlen, aber ich wäre lieber nicht allein mit meiner Mutter. Schließlich will ich mich noch mal in die Tiefe davonschleichen.
»Lieber nicht, ich habe Kiki versprochen, sie zum Mittagessen zu treffen.«
»Mir wäre es lieber, wenn du mitkämst«, sagt sie und schüttelt den Kopf. »Wir haben keinen Aufpasser für dich. Klartino und Stiggson sind mit deinem Vater unterwegs.«
»Ich brauche keinen Aufpasser.«
»Das war einmal«, antwortet meine Mutter.
»Warum?«
Sie legt den Kopf schief. »Muss ich dir das wirklich erklären? Du hast eine Überdosis Stic genommen und bist einfach abgehauen. Deshalb können wir dir nicht mehr vertrauen.«
»Mom, es tut mir leid. Ehrlich.« Ich blicke sie flehend an. »Außerdem planen Kiki und ich die Hochzeit!« Ich bin selbst erstaunt, wie leicht mir diese Lügen über die Lippen gehen. »Sie hat versprochen, mir bei der Auswahl der Brautjungfern zu helfen – ich weiß ja nicht mehr, ob ich schon jemanden ausgesucht habe.«
Meine Mutter streichelt meine Wange. »Meine arme Kleine. Die Hochzeitsvorbereitungen sind jetzt bestimmt genau das Richtige für dich.« Sie blickt sich um, als wollte sie sich davon überzeugen, dass ringsum auch ja keine Gefahren lauern. Ihr Lächeln wird milder. »Sei nur rechtzeitig zum Abendessen mit dem Gouverneur zurück. Du weißt, wie sehr es dein Vater verabscheut, wenn seine Kinder zu spät zu öffentlichen Anlässen kommen.«
Wieder was gelernt: Ich muss nur ab und zu ein wenig Begeisterung für meine bevorstehende Hochzeit vortäuschen, dann läuft alles wie geschmiert. Es tut mir zwar leid, dass ich meine Mutter belügen musste – aber nur ein ganz kleines bisschen. Nach einem raschen Küsschen auf die Wange verabschiede ich mich von Thomas und mache mich auf zur Leichtbahn. Dabei halte ich mehrmals inne und winke zurück, bis Thomas und meine Mutter außer Sichtweite sind.
Und schon bin ich auf dem Weg zum Prächtigen Block.
Der Gondoliere steuert einen der blau-weißen Pfosten an, die überall am Kanalrand aufgestellt sind, und das Boot hält automatisch. »Da wären wir, Miss«, sagt der alte Mann, schlingt ein Tau um den Pfosten und zieht die Gondel an einen erhöhten Gehsteig.
Falls er mich erkannt hat, lässt er sich nichts anmerken. Ich habe mir die Haare nach vorn gekämmt, um mein Gesicht so gut wie möglich zu verbergen, aber ich trage immer noch mein Kostüm vom Dreh: gelber Jersey, besetzt mit Swarovski-Kristallen, einen breiten orientalischen Gürtel, zusammengehalten von einer Silberschnalle, und hochhackige Sandalen, die um die Knöchel geschnürt werden. Entweder hat sich in letzter Zeit niemand die Mühe gemacht, die AP -Transportaufzeichnungen zu kontrollieren
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