Mystic
an sich selbst als Kind. Auf dem dritten Foto saß McColl auf einem Berggipfel, mit einer Schneebrille und einem Rucksack, der mit Seilen und anderer Kletterausrüstung beladen war. Neben den Fotografien waren an hölzernen Haken mehrere helllackierte Körbe angebracht, ein Bolo-Messer in einer mit reicher hellfarbiger Perlenstickerei verzierten Scheide und eine Halskette aus gebleichten Muscheln. Das Arbeitszimmer war in sanftes Licht getaucht, das durch ein Bleiglasfenster fiel, welches auf den Garten hinausging. Dort badete eine Zwergdrossel in einem Vogelbecken, dessen Mitte von drei kleinen Steinpferden gebildet wurde. Das gleiche Vogelbecken, das auf dem beschädigten Gemälde im Flur abgebildet war.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie warten ließ«, knurrte Monsignore McColl, als er aus dem Badezimmer trat. »Nun denn, Mr. Gallagher, sind Sie Katholik oder ein verlorenes Schaf?«
»Weder noch«, sagte Gallagher. »Ich bin Atheist.«
Des Priesters rechte Augenbraue hob sich. »Ich dachte, Mrs. Curtin habe gesagt, Sie interessierten sich für Pater D’Angelo?«
»So ist es.«
»Weshalb sollte sich ein Atheist für einen Priester interessieren?«
Gallagher erklärte die Hintergründe und gab McColl Beispiele für seine anderen Filmprojekte.
»Sie drehen Filme über Religion und sind selbst nicht gläubig?«, fragte Monsignore McColl.
Gallagher wich der Frage aus, indem er ihm erzählte, wie bei Jerry Matthews und ihm das Interesse für Pater D’Angelo und das Verfahren der Heiligsprechung geweckt worden war, als sie zwei Jahre zuvor China bereist und von der kürzlichen Heiligsprechung eines Priesters erfahren hatten, der dort in den vierziger Jahren des 19 . Jahrhunderts Missionar gewesen war.
»John Gabriel Perboyre«, brummte der Priester bestätigend. »Von den Soldaten des Kaisers bei einer Verfolgungsaktion gefoltert, an einen Balken gehängt und stranguliert. Ich selbst war acht Jahre lang Missionar. Auf der Yucatán-Halbinsel. Alle Missionare kennen die Geschichte von Pater Perboyre.«
Gallagher nickte und erklärte seinen Wunsch, anhand der Geschichte von Perboyre und anderen einem Laienpublikum die katholische Heiligentradition zu erklären. Jerry hatte in einem Artikel eines katholischen Nachrichtendienstes über die Heiligsprechung eine kurze Notiz zu Pater D’Angelo gefunden. Gallagher hatte beschlossen, nach Lawton zu kommen, um zu angeln und die ersten Recherchen für den Film zu machen.
Monsignore McColl wurde hellhörig, als er erwähnte, er sei auch zum Angeln in Lawton. »Sind Sie derjenige, der Hank Potter gefunden hat?«
»Ja.«
»Ich werde am Mittwochmorgen die Totenmesse für ihn lesen«, sagte der Priester. Er zupfte an seinem Bart und beobachtete ihn. »Was hat Ihnen die Polizei denn gesagt?«
»Nicht viel«, log Gallagher. »Ich war wohl nur zur falschen Zeit am falschen Ort.«
Der Monsignore trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte und sah einige Augenblicke zu dem Vogelbecken im Garten hinaus. Dann räusperte er sich. »Was den Film über Pater D’Angelo angeht, kommen Sie am besten in zwanzig Jahren wieder. Es dauert lange, einen Heiligen zu machen.«
Gallagher setzte sich auf seinem Stuhl zurecht, als er merkte, dass ihm ein Kampf bevorstand.
»Ich habe keine zwanzig Jahre, und außerdem sind wir an Pater D’Angelo interessiert, gerade weil sich das Verfahren bei ihm noch im Anfangsstadium befindet.«
»Sicher gibt es noch andere, die Ihren Bedürfnissen besser entsprechen«, erwiderte McColl.
»Ich habe das Gefühl, Sie machen sich nicht allzu viel Hoffnung auf sein Verfahren.«
Kleine blaue Äderchen traten an den Schläfen des Priesters hervor, und er warf Gallagher einen kalten Blick zu. »Ich habe es mir zur Lebensaufgabe gemacht, mich darum zu kümmern, dass Pater D’Angelo heiliggesprochen wird, und ich werde nicht zulassen, dass ein verdammter Atheist –«
»He, he, he«, unterbrach ihn Gallagher. »Meine persönlichen Überzeugungen beziehungsweise ihr Fehlen haben damit überhaupt nichts zu tun.«
»Ach, tatsächlich?«
»Ich bin objektiv und fair, wenn ich ein Thema dokumentiere. Ich kann Ihnen gern Referenzen geben.«
McColl machte ein schnalzendes Geräusch mit den Lippen und schüttelte dann den Kopf. »Es ist zu früh dafür, dass jemand von außen darin herumwühlt; das schadet der Sache des Paters.«
»Wissen Sie vielleicht etwas, was ich nicht wissen soll?«
McColls ohnehin schon gerötetes Gesicht wurde feuerrot.
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