Mystic
»Ganz und gar nicht! Aber jemanden für das Heiligsprechungsverfahren vorzuschlagen ist eine delikate Angelegenheit. Ich werde es nicht von Ihrem Sensationsjournalismus in Gefahr bringen lassen.«
»Sensationsjournalismus!«, rief Gallagher empört aus und wurde sich im nächsten Moment bewusst, dass das Gespräch außer Kontrolle geraten war. Er brauchte einen Augenblick, um sich zu beruhigen, und sprach dann langsamer und leiser weiter. »Schauen Sie, Monsignore McColl, wenn ich es richtig verstehe, spielt die Politik eine wichtige Rolle beim Prozess der Heiligsprechung. Wenn Sie sich so sicher sind, dass Pater D’Angelo ihrer würdig ist, dann sehe ich nur Positives darin, seinen Fall neben dem von etablierten Heiligen wie Pater Perboyre zu behandeln.«
McColl antwortete nicht darauf. Er betrachtete seine riesige Hand, die sich um einen unsichtbaren Gegenstand schloss und öffnete. Gallagher setzte alles auf eine Karte. »Wissen Sie, ich kann mit so was gut umgehen. Ich bekomme meine Geschichte, so oder so. Ich schaff das immer. Doch ich würde viel lieber mit Ihnen zusammenarbeiten. Sie kennen den Mann. Sie können mir die richtige Richtung weisen.«
Der Priester drehte sich in seinem Sessel hin und her, presste seine dicken Finger zusammen und sah in den Garten hinaus. So saß er fast eine Minute lang da, bewegte die Lippen und machte jene schnalzenden Geräusche. Gallagher wollte schon aufstehen und gehen, als McColl lospolterte: »Wenn ich das Gefühl bekommen sollte, Sie dienen Pater D’Angelos Sache nicht, ziehe ich meine Unterstützung sofort zurück. Verstanden?«
10
Zur gleichen Zeit wurde in einem alten, gelben Farmhaus am Fuße der Südflanke des Lawton Mountain Olga Dawsons zierlicher Körper von Schluchzen geschüttelt.
Andie Nightingale hielt die alte Frau fest gegen ihre Brust gedrückt. Sie rieb den Rücken ihrer blauen Strickjacke und tröstete sie wie ein kleines Kind, bis Olgas Weinen weniger wurde und schließlich ganz aufhörte. Olga Dawson war einstmals mit ebenholzschwarzen Augen, einer Porzellanhaut und rubinroten Lippen gesegnet gewesen, so wie man es in alten Schwarzweißfilmen bewundern kann. Andies Mutter hatte immer gesagt, Olga hätte das Gesicht eines Stars gehabt.
Jetzt war Olga achtundsiebzig und immer noch kräftig genug, einen Holzofen den ganzen Winter über in Gang zu halten. Doch Linien, so fein wie das filigrane Geäst der Roteiche vor ihrem Küchenfenster, überzogen ihre von Altersflecken übersäte Haut. Ihre Wangen zuckten, eine ständige Mahnung an die drei leichten Schlaganfälle, die sie in den vergangenen anderthalb Jahren erlitten hatte.
»Es tut mir leid, Liebes«, sagte Olga, während sie sich auf der Couch gerade setzte und sich die Augen mit einem Taschentuch trocknete. »Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.«
Eine weiße Tibetkatze schlich ins Zimmer. Olga streckte abwesend die Hand nach ihr aus. Die Katze fauchte und machte einen Buckel. Die alte Frau zog hastig ihre Hand zurück und schimpfte: »Tess, du böses, böses Mädchen!«
Andie machte ein lockendes Geräusch mit der Zunge. Die Katze duckte sich, sprang auf Andies Schoß und schnurrte zufrieden. Die verwilderte Katze war Olga zwei Jahre zuvor zugelaufen. Tess duldete Olga, aber Andie liebte sie.
Olga klagte: »Heute Morgen wollte ich für das kleine Scheusal Milch aus dem Kühlschrank holen, aber ich habe andauernd den Saft rausgeholt. Ich wusste genau, was ich tat, doch ich konnte meine Hände nicht dazu bringen, das zu tun, was mein Hirn wollte.«
Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. »Ich werde eine Last für dich, Andie. Es ist nicht in Ordnung, dass eine junge Frau auf eine alte Schachtel wie mich aufpassen muss. Du solltest mit einem gutaussehenden jungen Mann unterwegs sein.«
Andie Nightingales Züge erstarrten einen Augenblick, dann sagte sie: »Ich fürchte, für gutaussehende junge Männer tauge ich nicht mehr.«
»Du darfst nicht zulassen, dass die Vergangenheit die Gegenwart bestimmt«, meinte Olga.
»Das lässt sich unmöglich verhindern«, entgegnete Andie nachdenklich, bevor sie die Katze auf den Boden setzte und Olga herumdrehte. Sie nahm eine Haarbürste mit Perlmuttgriff in die Hand und begann, Olgas langes, silbergraues Haar damit zu bearbeiten. »Und du bist keine Last und keine alte Schachtel. Du bist das Einzige an Familie, was ich noch habe. Denk nur mal dran, wo du vor einem Jahr warst.«
»Vor einem Jahr war ich im Krankenhaus«, sagte die
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