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Mythor - 023 - Befehle aus der Schattenzone

Mythor - 023 - Befehle aus der Schattenzone

Titel: Mythor - 023 - Befehle aus der Schattenzone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Terrid
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nicht?
    Warum kamen sie nicht, die Bewohner Giantons, sie zu holen, zu welchem Zweck auch immer? Nicht, dass Nyala gern erlebt hätte, gefoltert zu werden. Sie hatte in Elvinon gesehen, zu welchen Grausamkeiten Marterungen sich auswachsen konnten. Aber sie hätte ein solches Schicksal verstanden, es vielleicht ertragen.
    Dies aber war schrecklicher als ein glühendes Eisen, als der Biss der Peitsche. Man ließ sie einfach irgendwo in der Düsterwelt der Titanenstadt verfaulen. Nyala ahnte, dass sie niemals wieder das Tageslicht würde sehen können. Man würde sie bis ans Ende ihrer Tage in diesem Loch belassen, ohne sich jemals wieder um sie zu kümmern.
    Sie kehrte zu dem Napf zurück. Der Sud war ein wenig kälter geworden, roch aber kein bisschen besser.
    Was half es, wenn sie hier die stolze Tochter eines großen Herrn spielte, wenn sie versuchte, ihre Selbstachtung aufrechtzuerhalten? Es sah ihr niemand zu. Das bisschen Stolz, das sie daran hinderte, das eklige Mahl hinunter zu schlingen - niemand würde sie dafür jemals bewundern oder loben. Lohnte es sich unter diesen Umständen überhaupt noch, diesen Stolz zu zeigen?
    Mit tränenüberströmtem Gesicht hob Nyala den Napf an und setzte ihn wieder ab.
    Sie achtete nicht auf das grässliche Gespensterecho in dem Kerker, als sie mit sich sprach. »Was hat es für einen Sinn?« fragte sie sich selbst. »Wozu quälst du dich? Was gewinnst du damit? In ein paar Stunden wird der Hunger so in deinem Körper wühlen und schneiden, dass dir gar nichts anderes übrigbleiben wird, als diesen Fraß zu verschlingen. Wozu also der Stolz, nur um ein wenig Zeit zu erringen? Nur um den Augenblick der tiefsten Demütigung um einige schale Stunden hinauszuzögern?«
    Sie verstummte. Nichts minderte die Qual dieser Selbstschau. Wenn sie es bis zum bitteren Ende schaffte, den Hunger und den Durst zu ertragen, wenn sie ihren Stolz und ihr Selbstwertgefühl behalten konnte bis zum letzten Schlag ihres Herzens, war es richtig, den Napf auszuschütten, sich zusammenzurollen und auf das Ende zu warten. Aber vielleicht hatte sie gar nicht die Kraft, dieses Schauspiel bis zum letzten Akt durchzustehen? Dann war es völlig sinnlos, sich noch länger zu widersetzen.
    Nyala setzte sich auf den Boden. Sie nahm den Napf und begann zu essen. Auf der Brühe trieb eine Schicht erkalteten Fettes. Sie schmeckte widerlich, war aber nahrhaft. Es gab faseriges Fleisch in dem Sud und einen Knochen, einen sehr seltsam geformten Knochen. Nyala fischte ihn aus dem Napf. Sie legte ihn zur Seite. Erst wollte sie ihren nagenden Hunger stillen, dann konnte sie sich noch immer mit dem Knochen beschäftigen .
    Sie leerte den Napf bis zur Neige, sie leckte ihn sogar aus. Der Stolz war ihr fast zur Gänze abhanden gekommen. Erst als sie sicher war, dass es kein noch so kleines bisschen Nahrung mehr aus dem Napf herauszuholen gab, stellte sie das hölzerne Gefäß dorthin zurück, wo sie es gefunden hatte.
    Nun erst griff sie nach dem Knochen. Er war rund, fast kugelförmig. Es gab einen beweglichen Teil daran und ein paar Löcher.
    Nyala stieß einen gellenden Schrei aus, dann brach sie ohnmächtig zusammen. Es war ein Schädel gewesen, den sie betastet hatte, die Skulptur eines menschlichen Schädels, nur knapp faustgroß, aber deswegen nicht minder grässlich anzufühlen.
    Es fiel kein Licht in den Kerker, als die Tür geöffnet wurde. Im düsteren Dämmerschein der Titanenstadt erkannte Nyala eine Gruppe Caer-Priester, die gekommen waren, sie zu holen.
    Nyala wankte die Stufen hinauf.
    Ihre Haare waren verfilzt, das Gewand fleckig und stinkend. Die Augen der Frau waren dunkel unterlaufen, der Blick hatte keinen Glanz mehr, irrte haltlos umher. »Macht ein Ende!« bat die Frau mit krächzender Stimme.
    »Komm mit!« sagte der Priester der Caer.
    Sie brauchten Nyala nicht zu fesseln, nicht einmal festzuhalten. Willenlos taumelte sie hinter den Caer durch die winkeligen Straßen.
    Nichts hatte sich geändert, seit sie die Stadt zum erstenmal betreten hatte. Noch immer lagerte das düstere Dämmerlicht über Gianton, noch immer huschten gespenstische lebende Schatten durch das Gewimmel der Gassen, die aus dem Nirgendwo zu kommen schienen und irgendwohin verschwanden. Ab und zu konnte Nyala an den Wänden Zeichen sehen, Darstellungen, bösartige Fratzen.
    Eine Gruppe skandierender Caer-Priester zog in halber Sichtweite vorbei, seltsam vermummte Gestalten mit befremdlichen Geräten in den Händen. So gespenstisch,

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