Mythor - 023 - Befehle aus der Schattenzone
im Kampf gegen Vassander?« fragte er ohne Umschweife.
»Ich werde tun, was in meinen Kräften steht, die Mächte des Lichtes zu stärken und zu schirmen«, sagte Mythor.
Thonensen lächelte. »Ich weiß«, sagte er, und der Ausdruck dieser Worte verriet alles.
Diese beiden Worte besagten nicht nur, dass Thonensen vieles von dem wusste, was Mythor betraf. Es schwang darin auch mit, dass Thonensen größeres Wissen besaß als Mythor selbst. Der Unterton besagte aber auch, dass der Sterndeuter vorerst nicht gewillt war, darüber zu sprechen.
»Willkommen«, sagte er nun. Er streckte die Hand aus, Mythor ergriff sie.
Im gleichen Augenblick spürte er etwas Seltsames, ein feines Kribbeln, das seinen ganzen Körper in einer raschen heißen Welle zu durchlaufen schien. Es war eine wohlige Empfindung, dennoch aber geheimnisvoll und schon deshalb ein wenig erschreckend.
Sadagar grinste. »Sagte ich es nicht, beim Kleinen Nadomir?«
»Sadagar«, bat Thonensen mit freundlichem Lächeln. »Sei so gut, uns eine Mahlzeit herauf zu schaffen. Ich habe heute sehr wenig genossen.«
Steinmann Sadagar zögerte einen Augenblick, dann verließ er den Raum.
»Stört es dich, wenn er unablässig den Kleinen Nadomir anruft?« fragte Mythor.
»Nein«, sagte Thonensen.
»Traust du ihm einen solchen Schutzgeist überhaupt zu?« fragte Mythor.
Thonensen überlegte einen Augenblick lang. »Warum nicht?« sagte er dann.
Mythor schüttelte ungläubig den Kopf. Nicht, dass er nicht an die Kräfte der Weißen und der Schwarzen Magie geglaubt hätte, er hatte in den letzten Monden mehr als genug Erfahrung mit diesen Mächten sammeln können, doch es erschien ihm seltsam, dass ausgerechnet Sadagar Verbindung zu einem machtvollen Schutzgeist haben sollte.
Thonensen sah Mythors Zweifel. Er lächelte sanft. »Es ist nicht wichtig, dass du an den Kleinen Nadomir glaubst oder irgendein anderer. Wichtig ist nur, dass dein Freund Sadagar fest an ihn und seine Macht glaubt, das genügt. Wahr ist, was geglaubt wird, das ist eines der Urgesetze der Magie.«
Deutlich empfand Mythor den Unterschied zwischen den beiden Magiern. Wo Vassander mit prunkender Gebärde zu wirken versuchte, konnte Thonensen durch die bestechende Klarheit seiner Worte mehr erreichen. Während Vassander in seinem ganzen Gehabe den Eindruck zu erwecken suchte, alle Bereiche magischen Geschehens seien ihm gleichermaßen vertraut und gleichsam Untertan, bestach Thonensen durch die schlicht zugegebene Begrenztheit seiner Einsichten. Auf Menschen, die sich vom äußeren Schein nicht blenden ließen, musste Thonensen zweifellos den ernsthafteren Eindruck machen. Indessen wusste Mythor, dass dies nicht bedeutete, dass Vassander ein Stümper und Nichtskönner war. Dies zu glauben wäre gefährlicher Selbstbetrug gewesen.
Mythor hatte zu dem weißhaarigen Sterndeuter sofort Zutrauen gefasst. Er zögerte daher nicht, das Bildnis der unbekannten Schönen aus dem Gewand zu ziehen und Thonensen wortlos zu überreichen.
Es hatte den Sohn des Kometen große Mühe gekostet, das Bildnis an Buruna vorbei zu schmuggeln. Graf Corians Liebessklavin wäre über diese Nebenbuhlerin sicherlich nicht entzückt gewesen.
Thonensen betrachtete das Bildnis. »Es bedeutet dir viel«, sagte er ruhig.
»Alles«, antwortete Mythor aufrichtig. »Fällt dir nichts auf?«
»Was sollte mir auffallen?« fragte Thonensen.
»Sie ist mir ähnlich«, stieß Mythor hervor.
»Sie ist sehr schön«, sagte Thonensen mit feinem Lächeln.
Mythor errötete. »Das meine ich nicht damit«, sagte er heftig. »Ich spüre, dass diese Frau auf geheimnisvolle Weise zu mir gehört. ein Teil meiner selbst ist.«
»Dein Spiegelbild? Wärest du lieber ein Weib?«
Die Frage verblüffte Mythor. »Ich habe nie darüber nachgedacht«, sagte er ratlos. »Warum fragst du mich das?«
»Warum berührt dich die Frage so sehr?« antwortete Thonensen mit einer Gegenfrage. »Aber sei beruhigt, du hast recht. Sie sieht dir ähnlich, ähnlicher sogar, als du vielleicht selbst sehen kannst.«
Thonensen betrachtete wieder das Bild, er versenkte sich gleichsam in das Antlitz der Schönen. Mythor konnte sehen, dass der Sterndeuter heftiger atmete; seine Brust hob und senkte sich in tiefen Atemzügen.
»Ja«, murmelte Thonensen. »Du tust recht daran, dieses Bildnis mit dir herumzutragen.«
Er hatte sich wieder gefangen. Sein Gesicht zeigte ein verschmitztes Lächeln. »Du solltest es aber nicht Buruna zeigen«, sagte er schmunzelnd.
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