Mythor - 036 - Die Inseln der Verfemten
dazu, weiterzusprechen. Die Peitsche wurde bewegt, und einen Herzschlag später hatte der Sprecher das dünne Leder um den Hals gewickelt.
»Komm heran«, sagte Coroman Hassif und entblößte zwei weiße, raubtierhafte Zahnreihen. Sein Lächeln verhieß Unheil, wenn nicht Tod.
»Meine Fehler?« fragte Coroman Hassif. »Wer hat hier Fehler gemacht, wenn nicht ihr? Feige seid ihr und jämmerliche Versager. Ich sollte euch einzeln vornehmen, euch die widerborstigen Schädel an diesen Mauern zerschmettern. Hättet ihr auf meine Befehle gehört, dann wären wir jetzt alle reicher, hätten reiche Beute und brauchten nicht hier derart jämmerlich zu hausen.« Seine Stimme schwoll an.
Mythor konnte sehen, wie seine Gefolgsleute zusammenzuckten. Wie Gewittergrollen klang die Stimme des Coroman Hassif über die Versammlung, und fast glaubte Mythor sehen zu können, wie die Coromanen kleiner und kleiner wurden.
Mochten sie auch innerlich gegen Coroman Hassif rebellieren – sobald er vor sie hintrat und seine Stimme erschallen ließ, unterwarfen die Räuber sich ihrem Anführer.
»Ich sage euch, dass wir bald wieder zu neuen Raubzügen ausrücken werden, und dieses Mal werden wir mehr Beute machen als jemals zuvor. Ich verspreche es euch.«
»Das hast du schon oft getan!« schrie eine sich überschlagende Stimme, die sofort verstummte, als Hassif seine Peitsche nach vorn schnellen ließ. Getroffen prallte der Sprecher zurück.
Mythor sah unwillkürlich nach jenem Mann, der die Peitsche des Anführers am Hals gehabt hatte. Dieser lag am Boden und griff sich mit beiden Händen an den Hals. Dann rappelte er sich auf und eilte zurück zu den Reihen der Coromanen.
Mythor wartete darauf, dass Hassif sich den Burschen zurückholte, aber der verzichtete darauf.
Unmittelbar neben Mythor blieb der Geschundene stehen und rieb sich den Hals. Mythor sah interessiert hin. Er lächelte zurückhaltend.
Ihm war etwas aufgefallen, was außer ihm vermutlich keiner der Coromanen bemerkt hatte.
Der Hals nämlich, den der Geschundene mit schmerzverzerrtem Gesicht massierte, wies nicht die geringste Strieme auf. Er war völlig unversehrt. Mythor fand das bemerkenswert.
Im gleichen Augenblick ertönte wieder die Stimme des Coroman Hassif. »Cepran, Kalahar, zu mir!« bestimmte Coroman Hassif. »Und auch der neue Mann soll sich bei mir melden!«
Mythor lächelte breit. Er setzte den Helm der Gerechten auf und schritt voran. Er hatte Coroman Hassif durchschaut.
*
»Willkommen in unseren Reihen«, sagte Coroman Hassif dröhnend.
Sie standen in der Eingangshalle des Tempels. Der große Raum wurde von glühenden Holzkohlen in eisernen Becken erhellt, dazu von Fackeln, die in den Wänden staken und rußten.
Sie waren zu fünft – Coroman Hassif, groß und gewaltig, drei Schritte hinter ihm, klein und verwachsen, der Zwerg. Dazu Mythor und zwei Coromanen. In einem erkannte Mythor den bleichen Jüngling wieder, der ihn am Eingang des Tales in Empfang genommen hatte.
Mythor streckte die Hand zur Begrüßung aus, aber Coroman Hassif schlug nicht ein. Er hatte es auch nicht anders erwartet. »Ich frage mich, was ich hier soll«, sagte er gelassen. »Die Lage der Coromanen ist nicht die beste, das beweisen die Zustände im Lager. Zu welchem Zweck sollte ich mich einer Schar von Räubern anschließen, die nichts zu rauben haben?«
Coroman Hassif grinste breit. »Ich werde der Bande neue Beute verschaffen«, sagte er. »Aber zuvor muss ich ein anderes Problem lösen. Wir sind nämlich nicht allein in diesem Land.«
Mythor erwiderte das Lächeln. »Das wundert mich nicht«, sagte er boshaft. »Wo Räuber zu finden sind, da sollten normalerweise auch Opfer hausen.«
Coroman Hassif rollte mit den Augen. Auf seiner Stirn bildete sich eine Unmutsfalte. »Ich rede von einer Horde Unverschämter«, sagte er grimmig. »Sie lagern bei den Splittern des Lichtes und widersetzen sich meinem Gebot.«
Mythor blieb äußerlich sehr ruhig, obwohl ihn der Name des Ortes sofort alarmiert hatte. »Und?« fragte er einfach.
Das Gesicht des Coroman Hassif bekam einen lauernden Ausdruck. »Die Splitter des Lichtes«, sagte er langsam, »sind dort zu finden, wo auch der Koloss von Tillorn liegt.«
Mythor lächelte zurückhaltend. »Was habe ich damit zu tun?« erkundigte er sich.
Coroman Hassif deutete auf Mythors Beine. »Du trägst ein Orakelleder um den Oberschenkel«, sagte Coroman Hassif. »Mein Leibmagier hat mir davon berichtet, er hat es gesehen. Und die
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