Mythor - 044 - Piraten der Wüste
vorsichtige Blicke zu. Er wollte jetzt wissen, wie Tashans Gesicht aussah! Es hatte ihn mehr als bedenklich gestimmt, dass er hinter den Augenschlitzen in der Kapuze nur Schwärze gesehen hatte. Auch die Stimme des Piratenführers war so merkwürdig gewesen.
Tashan schien zu schlafen.
»Was hast du vor, Steinmann?« fragte einer der Wächter leise und mit gefährlichem Unterton. Er machte einige Schritte auf Sadagar zu. Immerhin waren sich die Männer Hrobons und des Festungskommandanten nicht ganz einig, ob Sadagar nicht doch zu den Piraten gehörte.
»Es ist verboten, mit Tashan zu sprechen«, sagte der Krieger.
Sadagar schüttelte resignierend den Kopf. »Ich will nur sein Gesicht sehen«, flüsterte er.
»Und was hast du davon?« fragte der Krieger.
»Das«, sagte Sadagar, machte blitzschnell einen letzten Schritt vorwärts, kniete neben dem gefesselten Piraten nieder und riss ihm die schwarze Kapuze vom Kopf. »Beim Kleinen Nadomir!« schrie er auf, als er das Gesicht Tashans sah.
Die Augen der Wächters weiteten sich und spiegelten den Schrecken wider, der sie erfüllte. Sie starrten Tashan entsetzt an.
Tashans Oberkörper ruckte hoch. Das ruckartige Abziehen der Kapuze hatte ihn geweckt. Sadagar sprang auf und taumelte rückwärts, stolperte dabei und stürzte. »Nein!« schrie er. »Nicht! Hilfe!«
Tashan lachte brüllend. Jäh erhob er sich, und das düstere Leuchten der Schattenzone am Nachthimmel gab ihm ein gespenstisches Aussehen. Die Krieger hatten ihre Schwerter gezückt, wagten sich aber nicht mehr zu rühren, obgleich der Pirat gefesselt war. Aber das Gebrüll brachte andere auf die Beine, und plötzlich war Hrobon da.
Er war fahl wie Schnee, als er erkannte, was mit Tashan geschehen war. Hatte es niemand geahnt? Nicht einmal jener, der ihm die Kapuze aufsetzte? Oder hatte der Pirat sie alle in seinen Bann gezwungen? Tashan besaß kein Gesicht im eigentlichen Sinne mehr. Es war von einer glasartigen Schicht überzogen.
Nur zu gut kannte Sadagar diese Erscheinung, und auch die Krieger schienen Bescheid zu wissen. Tashan war von einem Dämon besessen!
»Hütet euch«, sagte der Pirat dumpf. Er sah in die Runde. In der Dunkelheit schienen seine Augen hinter der gläsernen Schicht unheilvoll zu glühen. »Hütet euch vor dem Zorn Cherzoons! Niemand wird ihm entgehen, denn bald schon wird er erscheinen. Denn er ist der Meister Drudins und der Caer, und ihm wird die Welt gehören!«
»Wer ist Cherzoon?« stieß Hrobon hervor. Seine Lippen waren ein schmaler Strich, die Augen leicht geweitet. Sadagar sah, dass sich seine Faust um den Griff einer Waffe spannte. Auch der Steinmann war nicht frei von Furcht. Lange genug hatten die Mächte des Bösen Mythor und auch ihn gehetzt.
»Cherzoon ist Drudins Dämon«, stieß er hervor. »Der gefährlichste Dämon, den die Welt kennt, und darum ist auch Drudin selbst so gefährlich…«
»Ha!« brüllte Tashan. »Ihr werdet ihm nicht entgehen!
Bald, bald ist es soweit… nicht mehr lange…« Er verstummte und ließ sich wieder nieder.
Niemand wagte sich ihm zu nähern, um ihm die Kapuze wieder überzustülpen. Eine dumpfe Furcht hatte die Männer erfasst. Das Böse befand sich mitten unter ihnen. Sadagar sah Kommandant Sadhy in der Nähe. Auch der Befehlshaber der Festung war unnatürlich bleich.
Jeder wusste, was das gläserne Gesicht zu bedeuten hatte. Doch kaum jemand konnte sich erklären, wie Tashan dämonisiert worden war. Nur wenige wussten, dass jene drei schwarzen Reiter aus dem Norden in Horai gewesen waren, und nur Sadagar und vielleicht auch Hrobon wussten, dass es sich bei ihnen um die drei Todesreiter des obersten Caer-Priesters handelte. Sie hatten den Stummen Großen Lichtfinger gemordet, und ganz nebenbei mussten sie die Gelegenheit ausgenutzt haben, den Dämon auch noch in den Piratenführer fahren zu lassen. Niemand eignete sich besser, das Böse zu verbreiten, als ein Mensch, der ohnehin schon böse war. Die Dämonisierung verstärkte seine Veranlagung weiter.
»Man sollte ihn töten«, murmelte einer der Krieger.
»Das werdet ihr Narren lassen!« schrie Kommandant Sadhy. »Wir wollen ihn gegen die Prinzessin eintauschen!«
Hrobon, der Führer der Leibgarde, hob die Schultern und wandte sich ab. Er trat zu Sadhy. »Wir sollten uns auf einen mörderischen Kampf vorbereiten, Sadhy«, sagte er. »Denn ich glaube kaum, dass die Piraten unter diesen Umständen noch auf den Tausch eingehen werden.«
»Ich glaube es für dich mit«,
Weitere Kostenlose Bücher