Mythor - 104 - Inscribe die Löwin
sicher.«
»Warum hast du dann Zweifel?«
»Wer weiß, was sie machen werden, wenn die Zeit der Gastfreundschaft zu Ende ist?« sagte Robbin. »Ich habe das Gefühl, als hätten die freundlichen Haryien irgendeinen abgefeimten Hintergedanken.«
Mythor hatte genug gehört.
»Das werden wir nur dann wirklich herausfinden können, wenn wir uns auf die Gastfreundschaft tatsächlich einlassen«, erklärte er. »Ich bin dafür, das Angebot anzunehmen – aber vorher werden wir uns um Inscribe kümmern.«
Mescal nickte eifrig. Er konnte es kaum erwarten, endlich den Leeren See zu erreichen. Jente sah das mit deutlich erkennbarer Besorgnis.
Die Gruppe, die sich nun energisch mit Inscribe und ihrem Geheimnis beschäftigen wollte, war rasch zusammengestellt. Außer Mescal und Jente waren Gerrek und Robbin dabei, und Burra suchte drei Amazonen aus, die ebenfalls zum Leeren See vorstoßen sollten. Sie selbst übernahm die rückwärtige Sicherung der Truppe.
Das mühsame Geschäft des Kletterns brachten die neun rasch hinter sich, ohne daß es zu besondere’ Schwierigkeiten gekommen wäre.
Am Fuß des abgestürzten Lande angekommen, übernahm wieder Robbin die Führung der Gruppe; der dichte, alles überlagernde Nebel ließ keine andere Wahl.
Mythor hielt sich zur Rechten des Pfaders, Gerrek schirmte dessen Schildseite. Beide hatten die Waffen in den Händen – in dieser weißen Einöde mußte man jederzeit auf der Hut sein.
Nichts geschah. Die neun marschierten unter Robbins Führung, und außer ihnen war nirgendwo Leben zu entdecken. Mythor warf ab und zu einen besorgten Blick auf Mescal. Der Geschaffene der Zahda stand unter unerhörter Anspannung, seine Hände zitterten, dazu zuckte sein Mund immer wieder unkontrolliert. Jente hielt sich dicht an seiner Seite und betrachtete ihn mit Sorge.
»Bald sollten wir den Ort erreicht haben, wo die Statue aufgebaut worden ist«, verkündete Robbin. »Dort vorne…«
Er verstummte. Mythor, der gerade eine schnelle Kopf Zählung durchgeführt hatte, wandte sich um.
»Was gibt es?«
»Die Statue ist verschwunden«, sagte Robbin verblüfft.
Mythor wölbte die Brauen.
Der Platz, an dem die Gruppe jetzt anhielt, unterschied sich in nichts von Myriaden anderer Plätze auf diesem nebelverschleierten Karst. Hier überhaupt Unterschiede erkennen zu können, bedurfte es schon der besonderen Gabe eines Pfaders.
»Du bist sicher…?«
Robbin bedachte Gerrek mit einem bitterbösen Blick.
»Ganz sicher. Hier hat sie gestanden. Ich weiß es.«
»Vielleicht hat man sie fortgeschafft«, vermutete Mythor, der einen aufbrandenden Streit zwischen den beiden schnellstens ersticken wollte.
»Dann müßte das zu sehen sein«, sagte Robbin. »Hier kannst du erkennen, wo wir gegangen sind. Siehst du die Zeichen?«
Mythor kniete nieder und betrachtete den Boden. Wenn man den Kopf ein wenig schräg hielt, konnte man in der Tat die Fußstapfen einiger Leute erkennen – aber wie beweiskräftig dieser Anblick war, ließ sich so leicht nicht ermitteln.
»Und außer unseren Fährten, die ich ganz genau ausmachen kann, gibt es nur eine andere.«
»Na also«, sagte Mythor und richtete sich auf. »Damit wäre das Rätsel wohl gelöst.«
»Nicht zur Gänze«, sagte Robbin, ein arroganter Seitenblick traf Gerrek. »Diese Spur führt nur von dem Ort der Statue weg, aber nicht zu ihr hin.«
Mythor brauchte ein paar Augenblicke, bis er begriffen hatte, was Robbin damit sagen wollte. Gerrek brauchte ein wenig länger.
»Was soll die Geheimnistuerei«, maulte er. »Dann ist die Statue eben von allein losmarschiert…«
Der Beuteldrache sah die anderen an, dann begriff er, was er gerade gesagt hatte – es war die logische Schlußfolgerung aus Robbins Beobachtungen, an denen zu zweifeln es keinen Grund gab.
»Du meinst…?«
»Es sieht so aus, als wäre die Statue wegmarschiert«, sagte Robbin gelassen.
Mythor überlegte nicht lange.
»Wir nehmen die Fährte auf«, entschied er.
Die neun setzten sich unverdrossen in Bewegung. Robbin übernahm wieder die Leitung. Wie er es schaffte, aus den winzigen Zeichen noch den Weg zu ermitteln, den die Statue gewandelt war, erschien den anderen als Zaubergabe, auch Mythor, der im Spurenlesen wahrhaftig nicht schlecht war. Aber mit Robbins Fähigkeiten kam er nicht mit.
»Was habe ich gesagt«, stellte Robbin eine knappe Stunde später fest. »Da ist sie.«
In der Tat – dort stand sie, unübersehbar, wenn man erst einmal auf Armeslänge herangekommen
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