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Mythos Ueberfremdung

Mythos Ueberfremdung

Titel: Mythos Ueberfremdung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doug Sounders
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zweiter Linie Kanadier seien. Viele Kanadier sind der Ansicht, dass es jetzt für die Rettung der Provinz Quebec vor den mittelalterlichen Kräften bereits zu spät sei und dass sie, wie Irland, eine eigenständige Nation werden sollte.« 3
    Dieser Ausbruch antikatholischer Ängste in der Nachkriegszeit war nicht das erste Mal, dass die Aussicht auf eine katholische Flut die nordamerikanische Öffentlichkeit in Aufregung versetzte. Als die Einwanderung aus den katholischen Ländern Europas gegen Ende des 19. Jahrhunderts erstmals im großen Stil einsetzte, verblüfften die Neuankömmlinge viele Bürger ihrer neuen Heimat als Angehörige einer völlig anderen Kultur, die ihre eigenen Wohnviertel und Bildungssysteme errichteten, bei der Regierung Lobbyarbeit betrieben, damit man ihnen gestattete, nach ihren eigenen religiösen Vorschriften zu leben, und Erscheinungsformen der Gewalt mitbrachten – einschließlich des nationalistischen und anarchistischen Terrorismus –, die bei den religiösen Minderheiten in dieser Form bisher nicht aufgetreten waren. Die Iren, die Italiener, die osteuropäischen Juden: Sie alle wurden der Reihe nach als andersartig und beispiellos empfunden. Und jedes Mal hörte man dieselben Worte: Frühere Einwandererwellen entstammten einer Rasse und Kultur, die der unseren glich, aber diese Gruppe ist anders: Diese Leute kommen aus einer fremden Kultur und werden unsere Werte niemals teilen.
    Die Grenzen »unserer Kultur« änderten sich immer wieder. Zunächst beschränkten sie sich auf Menschen von den Britischen Inseln (ohne Irland), dann auf den Nordwesten des Kontinents und Teile Mitteleuropas (nachdem Deutsche und Skandinavier Ende des 19. Jahrhunderts akzeptiert wurden); erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts durfte »unsere Kultur« den gesamten westlichen Teil Europas umfassen. Der Autor John Palmer Gavit erkannte bereits im Jahr 1922 das dieser Haltung zugrunde liegende Muster: »Jede Phase der Einwanderung war zu ihrer Zeit ›die neue Einwanderung‹; jede wurde mit Besorgnis wahrgenommen; jede wurde als sicherer Weg beschrieben, die körperliche Tüchtigkeit unseres Volkes zu verschlechtern und den Lebensstandard und bürgerschaftlichen Zusammenhalt zu zerstören.« 4
    Hunderttausende von Iren waren in den beiden Jahrzehnten, die auf die »Große Hungersnot« in der zweiten Hälfte der 1840er-Jahre folgten, nach England ausgewandert und bildeten beispielsweise in London riesige, weitgehend segregierte Slums. Nach den Buchstaben des Gesetzes waren sie britische Untertanen, aber in den Augen der meisten Londoner waren sie nicht vertrauenswürdige, seltsame Ausländer. Irische Nationalisten zündeten 1867 bei einem Versuch zur Befreiung inhaftierter militanter Aktivisten an der Mauer des Clerkenwell-Gefängnisses eine Bombe und töteten dabei sechs Passanten. Plötzlich waren die Katholiken auch potenzielle Terroristen. Der Bombenanschlag schockierte ganz London, und in der Stadt wimmelte es von Gerüchten über irische Terroristen, die angeblich Tunnels unter der Themse gruben, um Big Ben und die St. Paul’s Cathedral in die Luft zu sprengen. Ein Aufruf an die Bürger der Stadt, Straßenpatrouillen einzurichten, lockte 166 000 Freiwillige an. Irische Nationalisten, die Fenier, sollten im Lauf der Jahre noch Dutzende von Bombenanschlägen verüben, die sich gegen öffentliche Gebäude und Einrichtungen wie Scotland Yard, die London Bridge, das Parlament, den Tower sowie mehrmals, in den 1880er-Jahren und mit verheerenden Folgen, gegen die Londoner U-Bahn richteten. Die Einwohner der Stadt hatten vor diesen Anschlägen über ihre weltfremden und tiefreligiösen irischen Nachbarn die Nase gerümpft. Jetzt fürchteten sie sich vor ihnen.
    Die Öffentlichkeit sah damals die von Iren ausgehende politische Gewalt nicht als eine Frage der Politik oder Nationalität, sondern – wie bei den islamistischen Bombenattentätern heute – schlicht als Auswuchs der Religion der Einwanderer. Die irischen Einwanderer der damaligen Zeit, schrieb der Historiker Leo Lucassen, »wurden allgemein verachtet, weil sie arm und nationalistisch eingestellt waren, aber überwiegend deshalb, weil sie Katholiken waren. […] Die mehrheitlich anglikanische alteingesessene Bevölkerung nahm den Katholizismus als Ausdruck einer gänzlich verschiedenen Kultur und Weltsicht wahr, außerdem wurde diese Glaubensrichtung wegen ihrer weltweiten und expansiven Ambitionen gefürchtet.« 5
    William Gladstone schrieb zwischen

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