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Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Titel: Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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oft heikel – auch in diesem Fall. Inwieweit lässt sich Rassendiskriminierung überhaupt zur Diskriminierung von dicken Menschen in Relation setzen? Natürlich ist die historische Leidensgeschichte von Menschen mit dunkler Hautfarbe keinesfalls mit der Diskriminierung dicker Menschen vergleichbar. Und um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen: Es geht in diesem Kapitel keinesfalls um irgendeine Form von geschichtlicher Relativierung. Es geht um Verhaltensmuster. Es geht darum, zu verstehen, wie Diskriminierung entsteht, wie sie funktioniert, was sie am Leben hält und wie sie sich bekämpfen lässt; und vor allem darum, wie man sie überhaupt als solche erkennt und wie man sich eingesteht, möglicherweise selbst ein Teil dieses Diskriminierungsprozesses zu sein.

    Was ist also von dem Argument zu halten, dicke Menschen müssten doch nur abnehmen, um ein erfolgreicheres und besseres Leben zu führen? Was wäre, wenn wir dieses Argument transferieren, so wie wir das am Anfang des Kapitels versucht haben? Das würde sich dann so lesen: »Farbige Menschen müssten doch einfach nur weißer werden, um ein erfolgreicheres und besseres Leben zu führen …«
    Solch einen Satz kann man nicht stehen lassen. Er klingt absurd, abstoßend, ignorant und zutiefst diskriminierend. Und dennoch hat sich vor sechzig Jahren in den USA an diesem Gedanken offenbar niemand gestört. Im Gegenteil – weißer zu werden, erschien damals vielen farbigen Amerikanern als der einzige mögliche Weg zu Erfolg und gesellschaftlicher Anerkennung – als der einzige Weg raus aus der Diskriminierung. Es war die große Zeit der Hautbleichmittelindustrie. Millionen von Amerikanern kauften und nutzten chemische Mittel, um den Teint ihrer Haut aufzuhellen. Was ihnen verschwiegen wurde: Die Aufhellungscremes enthielten hochtoxische Stoffe wie Quecksilber, Hydrochinon, ein Bleichmittel, das aggressiv auf die Pigmentierung der Haut einwirkt und als stark krebserregend eingestuft wird. Die Verwendung dieser Cremes erhöht aber nicht nur das Krebsrisiko drastisch, sie zerstört die Haut, schädigt innere Organe und kann direkt zu tödlichem Organversagen führen. In Europa und in den USA sind Kosmetika mit diesen Inhaltsstoffen mittlerweile verboten – in einigen Ländern Afrikas gibt es sie noch immer. Bis in die frühen 60 er Jahre des 20 . Jahrhunderts boomten die Hautbleichmittel in den USA . Vor allem in Zeitschriften wurden die Produkte massiv beworben. In einem als Artikel getarnten PR -Text (einem so genannten Advertorial) schreibt Walter White über die Vorzüge eines Hautbleichmittels. Im Vorspann heißt es: »Eine neu entdeckte, revolutionäre chemische Substanz verwandelt schwarze Haut in weiße – so perfekt, dass ein Neger als Weißer durchgeht.«
    Die Aufmachung der Doppelseite aus dem Jahr 1949 erinnert gespenstisch an die Gestaltung von aktuellen Anzeigen für Schlankheitsprodukte – inklusive des wissenschaftlichen Anstrichs und der obligatorischen Vorher-nachher-Fotos.

Abb. 7: Vorher – nachher
Die Anzeige (oben) aus dem Jahr 1949 erschien in einer amerikanischen Zeitschrift und wirbt für ein Hautbleichmittel. Die Botschaft: Mit Hilfe des beworbenen Produktes können farbige Amerikaner ihre Haut so stark aufhellen, dass sie als »Weiße« durchgehen. Illustriert wird der Effekt mit »Vorher-Nachher-Bildern« wie sie auch jetzt noch bei der Bewerbung von Diäten oder Diät-Produkten verwendet werden, um die Abnehmwirkung des Produktes zu demonstrieren. Heute sind Hautbleichmittel in den USA wegen ihrer Gesundheitsgefährdung verboten und werden als diskriminierend geächtet

Wie gesagt, Werbung für Hautbleichmittel war damals in den USA keine Seltenheit. Doch dieser PR -Text ist von besonderer Brisanz. Walter White, der Mann, der hier als Autor genannt und gezeigt wird, war zu dieser Zeit eine der gewichtigsten Stimmen des farbigen Amerika. Er war ein Aktivist, der sich gegen die Diskriminierung farbiger Amerikaner wandte. Allerdings gab es in Walter Whites Weltbild nur einen Weg, dieses Ziel zu erreichen: Anerkennung durch Anpassung. Um diese Anpassung zu erreichen, erschien es ihm sogar als legitimes Mittel, die Hautfarbe chemisch zu manipulieren. White starb 1955 . Den gesellschaftlichen Aufbruch der Amerikaner mit dunkler Hautfarbe hat er nicht mehr erlebt. Diesen Aufbruch hatte ein anderer maßgeblich mitgestaltet – Martin Luther King. Er wollte nicht mehr, dass farbige Amerikaner weißer werden und sich bis zur Selbstaufgabe

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