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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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scheint, dass bereits vor 15 Millionen Jahren jemand auf die Jagd gegangen ist, der in der Lage war, komplizierte Waffen anzufertigen.“
    Er stülpte die Lippen nach vorn. „Und das kennen wir bislang nur von einer einzigen Art.“
    Revilla starrte auf die Tischplatte und schwieg.
    „Wir müssen unbedingt diesen Schädel bergen“, sagte Pérez. „Ich glaube auch nicht, dass die Kreationisten recht haben. Aber wenn …“
    „Du bist mir viel zu schnell“, unterbrach ihn Revilla. „Ich bin nicht bereit, darüber jetzt auch nur nachzudenken. Bevor wir an der Evolutionstheorie zweifeln, will ich sicher sein, dass mir da nicht jemand einen Piltdown-Menschen unterjubelt.“
    Der Piltdown-Mensch, wusste Pérez, war eine der berühmtesten Fälschungen der Menschheitsgeschichte. 1908 hatten Arbeiter einer Kiesgrube in England dem Rechtsanwalt Charles Dawson Stücke eines Schädels gegeben. Dawson hatte daraufhin in der Grube nach weiteren Teilen gesucht – und war immer wieder fündig geworden, bis er einen Großteil des Schädels und den Unterkiefer beisammen hatte. Der Piltdown-Mensch hatte als Bindeglied zwischen Menschen und Affen gegolten. Erst 1953 war der Fund mit einer neuen Methode zur Altersbestimmung als Fälschung entlarvt worden. Es handelte sich um einen chemisch auf alt gemachten Menschenschädel und einen fossilen Unterkiefer eines Schimpansen. Bis heute fürchten Paläontologen, solchen Betrügereien aufzusitzen.
    Pérez war beleidigt. Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Fotos auf Revillas Schreibtisch. „Wer zum Teufel sollte denn ausgerechnet dort, am Ufer eines Seitenarms des Río Supayacu, eine Fälschung verstecken? Ich wusste ja noch nicht einmal selbst, dass ich ausgerechnet da anlegen würde.“ Er ballte die Fäuste. „Wir müssen dorthin.“
    Revilla kratzte sich hinter dem Ohr und stieß sich dabei fast die Brille von der Nase. Er schob die Fotos erneut zusammen und ließ sie in eine Schublade seines Schreibtisches fallen. „Gib mir die GPS-Daten der Fundstelle und überlass das mir und meinen Leuten. Wir graben diesen Schädel und alles, was dort noch ist, bestimmt sorgfältig aus. Und wenn wir den Fund tatsächlich veröffentlichen, dann wird dein Name natürlich auch erwähnt.“
    Pérez wurde heiß. Er fuhr sich mit dem Finger unter den Kragen und versuchte, die Krawatte zu lockern.
    „Sie meinen, Sie wollen ohne mich dahin? Ich soll zu Hause bleiben, wähem leiben,rend Sie meinen Schädel … wenn Sie ihn überhaupt ausgraben? Wenn Sie überhaupt darüber schreiben?“ Er sprang auf. „So geht das nicht.“
    Revilla hob beschwichtigend die Hände, doch Pérez ignorierte ihn. Er drehte sich um und rannte aus dem Büro.
    Er würde sich diesen Fund nicht aus den Händen nehmen lassen. Er würde verhindern, dass seine Entdeckung unter den Tisch gekehrt würde. Und er wusste jetzt ganz genau, an wen er sich dafür wenden musste.
    Mittwoch, 10. Juni, Moyobamba, Peru
    Das Sprungbrett des Pools ruhte auf einer Halbkugel aus groben Steinen, die Rob York an eine versteinerte Schildkröte erinnerte. Er saß auf den schmalen roten Holzbrettern, nur mit Shorts und Poloshirt bekleidet, ließ die Beine baumeln und genoss die Aussicht auf die östliche Kordillere, die hinter den weißen, leeren Liegestühlen jenseits des Pools und den Sonnenschirmen aus braunem Bast in der Ferne aufragten.
    Er war allein am Pool. Die meisten Gäste, die die Bungalows des Hotels Puerto Mirador am Nordrand Moyobambas gemietet hatten, waren in der Stadt und der Umgebung unterwegs, um die Dschungelatmosphäre zu atmen, Orchideen und Kolibris zu bewundern oder den unterirdischen Fluss in den Höhlen von Huacharos und die Lagune Azul zu besuchen.
    Die zwei Hunde, eingesperrt in ein Gehege um die Ecke, bellten hin und wieder. Aus der Bar klang leise eine seltsame Mischung aus Jazz und peruanischer Folklore.
    Das Hotel blickte von dem Plateau, auf dem die Stadt der Orchideen lag, über das fruchtbare Tal des Río Mayo hinweg auf die bewaldeten Hänge des Gebirges. Die Berge stiegen erst sanft und dann zunehmend steiler an. Sie wirkten nicht sehr hoch und auch nicht sehr gefährlich. Aber York war klar, dass sich hinter dem Horizont eine wilde, unzugängliche Gebirgslandschaft bis zum Amazonasbecken erstreckte, die nur in einem anstrengenden, mehrtätigen Marsch zu bewältigen war.
    Sie würden das Gebirge natürlich nicht zu Fuß oder mit Pferden überqueren wie die spanischen Eroberer. York hatte ein Flugzeug

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