Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
zu tragen. Als ich den Fuß an Land setze, rutsche ich aus und stürze mitsamt meinem coolen Outfit ins Wasser. Es ist perfekt temperiert: genau richtig, zwischen badewannenwarm und freibadkalt.
Ein Familienvater zieht mich unter lautem Gelächter an einer Hand heraus. Da ich nun sowieso schon nass bin, versuche ich als Antriebsalternative, das Schlauchboot schwimmend zu schieben, anstatt zu rudern. Aber das ist blöderweise noch anstrengender.
Glücklicherweise treibt eben ein zwei Meter langer Ast auf dem Wasser vorbei. Damit werde ich Roni nun wie ein Gondoliere über die Amper staken. Meine Idee funktioniert prima. Roni stippt ihren Zeh ins Wasser, und ich schaue mir, lässig stochernd, die Gegend an.
An einer riesigen Trauerweide am Ufer spielen Kinder, springen von den Ästen ins Wasser, lachen und planschen. Auf den nächsten Metern begegnen wir noch mehr Eingeborenen. Sie sitzen gemütlich vor ihren kleinen Häuschen auf dem Steg oder baden im Wasser. Alle haben rote Bäckchen, sehen gesund und ausgeglichen aus. Ich verspüre einen starken Drang, ihnen Glasperlen für ihr Land anzubieten.
Ronis schrilles Kreischen reißt mich aus meinem kolonialistischen Tagtraum. Wir verlieren bedenklich an Fahrt. Mit Schrecken muss ich erkennen, dass ich uns in einen tümpeligen Ausläufer aus abgestandenem Brackwasser navigiert habe. Die Luft flirrt und stinkt nach Fäulnis; ein toter, verdorrter Baum reckt seine spitzen Äste aus dem flachen Wasser und streckt sie wie Krallen nach unserem Boot aus. Mit einem unüberlegten Stakser schiebe ich das Boot genau unter die Zweige. «Igittigitt, da sind lauter Spinnen», ruft Roni.
Ich gebe mich überlegen: «Halb so wild.»
Leider kann ich die Fassade nur kurz aufrechterhalten. «Iiiih!», kreischen erst Roni, dann auch ich. Denn da sitzen tatsächlich hunderte kleiner schwarz-weißer Kreuzspinnen in ihren Netzen zwischen den trockenen Zweigen. Als das Boot gegen den Baumstamm drückt, regnen sie wie kleine Schneeflocken auf uns herab. Roni quietscht noch lauter und drischt mit dem Minipaddel auf den Baum ein. Ich versuche, uns mit dem Stab vom Ufer abzustoßen, doch der versinkt bloß tief im Schlamm. Es bleibt mir nur eines: In voller Montur klettere ich über den Schlauchbootwulst und stürze mich in den fauligen Morast. Ich versinke bis zur Hüfte.
Als meine Füße etwas Halt finden, wate ich todesmutig unter den Spinnenbaum. Die weißen Weben ziehen sich über mein Gesicht und meine Haare; ich schlage hysterisch um mich. Zum Glück ist Roni gerade vollauf damit beschäftigt, ihrerseits Tierchen und Zweige abzuwehren. Ich habe meine Fassung zurückgewonnen. Mit der Kraft eines Mannes, der seine Frau aus einem brennenden Auto befreit, stemme ich das Boot hoch und befreie es aus der Spinnenbaumfalle. Meter für Meter schiebe ich uns ins fließende Gewässer zurück. Dort angelangt rufe ich: «Wir sind draußen.»
Ohne eine Sekunde zu zögern, steht Roni auf und springt in die Amper. Über ihrem Kopf klatschen kleine Wellen zusammen, auf denen sich zwei Spinnen drehen. Ich hechte kurzentschlossen hinterher, tauche, suche Roni – und finde sie.
Nixengleich durchteilen wir das dunkle Grün. Es ist wunderschön. Ich könnte ewig hier unten bleiben. Nein, könnte ich nicht. Meine Lunge brennt.
Als wir japsend wieder hochkommen, fragt Roni: «Wo ist denn das Boot?» Ich sehe es gerade noch um die nächste Amperkurve verschwinden. Wir kraulen um die Wette.
Ich komme als Erster an, wenn auch nur mit einer gefühlten Nanosekunde Vorsprung. Roni dreht den Tiger um, lässt Wasser hineinlaufen und spült Spinnen, Zweige und Schlamm heraus. Kurz darauf sitzen wir wieder im Trockenen.
«Das war sehr mutig von dir, in diese stinkende Brühe zu springen. Du hast mir ein bisschen das Leben gerettet.»
«Ach, das habe ich doch gern gemacht.»
«Danke», flüstert Roni und rückt ganz nahe an mich heran. Sie streichelt mir über den Nacken und küsst mich eine ganze Sekunde lang auf die Wange. Ich schließe die Augen und drehe meine Lippen dahin, wo ich ihren Mund vermute. In diesem Moment wird es nass um meinen Hintern. Erschrocken reiße ich die Augen wieder auf. Unser vormals pralles Boot sieht aus wie ein Luftballon am Morgen nach einer wilden Party. Einer der Zweige muss ein Loch in die Außenhaut gebohrt haben, aus dem nun die Luft entweicht. Wenige Sekunden später sinken wir.
Zum Glück ist die Amper hier nicht allzu tief, das Wasser geht uns bis zur Hüfte. Wir ziehen
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