Nach all diesen Jahren
verletzend fand. Nein, ich habe richtig gehandelt, sagte sie sich.
Oder war es vielleicht doch etwas voreilig gewesen?
Sarah brachte die Stimmen in ihrem Kopf zum Verstummen und sammelte Olivers Spielsachen ein, die er auf dem Rücksitz verstreut hatte.
Raoul erwartete sie bereits.
„Ich hätte euch gern selbst abgeholt“, meinte er.
„Kein Problem“, versicherte Sarah ihm, trat über die Schwelle – und blickte fassungslos um sich. Nichts erinnerte mehr an die Baustelle von vor zwei Wochen.
Fliesen in warmen Farbtönen ließen den Flur hell und einladend wirken, und massive, freiliegende Deckenbalken verliehen dem Ganzen einen rustikalen Charme. Sarah ging von Zimmer zu Zimmer und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Von den Samtvorhängen an den Fenstern bis zum Kaminfries war alles genau so, wie sie es selbst ausgesucht hätte.
Sichtlich stolz präsentierte Raoul den flaschengrünen, emaillierten Küchenherd und die antike Anrichte, die er in einem der Einrichtungshefte in ihrer Wohnung gesehen hatte.
„Du hattest in die Seite ein Eselsohr gemacht“, gestand er, „daher nahm ich an, dass dir die Anrichte gefällt.“
Oliver stand bei der Tür eines kleinen Wintergartens, die in den Garten führte. Seine Augen wurden groß wie Untertassen, als er die Schaukel sah.
„Okay“, sagte Sarah lachend, „ich komme ja schon!“
Draußen sah sie sich erstaunt um. „Ich hatte den Garten gar nicht so gepflegt in Erinnerung.“ Den Pfad säumten Blumen und Büsche, und der Rasen war von Sträuchern umrahmt. Auf der Terrasse standen ein rustikaler Gartentisch und dazu passende Stühle. An dem Spalier dahinter rankten sich bereits ein paar Zweige empor.
„Ich habe einen Landschaftsgärtner engagiert. Du kannst hier aber schalten und walten, wie es dir beliebt. Wollen wir noch den Rest des Hauses inspizieren? Oliver lassen wir besser hier, es dürfte zu schwierig sein, ihn von der Schaukel loszueisen. Mein Chauffeur wird auf ihn aufpassen.“
Raoul hatte auch für die Einrichtung seinen Innenarchitekten beauftragt, aber im Gegensatz zu seiner eigenen Wohnung, wo er diesem lediglich einen Scheck in die Hand gedrückt und alles Weitere ihm überlassen hatte, hatte er diesmal detaillierte Anweisungen gegeben. Er wusste, dass Sarah alles verabscheute, was steril und minimalistisch wirkte. Darum gab es auch keine Chrom- und Ledermöbel. Außerdem zügelte er sich und hatte auch keine Gemälde gekauft, obwohl es durchaus ein paar Landschaftsbilder gab, die der Investition lohnten.
„Ich glaube es einfach nicht!“, murmelte Sarah. Bewundernd stand sie vor dem viktorianischen Kamin in ihrem zukünftigen Schlafzimmer. Ein massives Himmelbett dominierte den Raum, und die Fenster mit Bleiglasverglasung gingen auf den Garten hinaus. Sie winkte Oliver zu, der immer noch auf der Schaukel saß, von dem unermüdlichen Chauffeur angeschoben.
„Hast du das tatsächlich alles selbst ausgesucht?“
Raoul lief rot an. Es war nicht gerade cool zuzugeben, sich für Möbel und Inneneinrichtung zu interessieren.
„Na ja, ich weiß eben, was dir gefällt“, wehrte er ab.
Sarah musste sich wirklich beherrschen. Am liebsten hätte sie ihn umarmt. Es ist wirklich kein Wunder, dass meine Gefühle Achterbahn fahren, sagte sie sich. Raoul ist der Widerspruch in Person. Sie hatte eigentlich erwartet, ein Haus zu beziehen, in dem sich gerade das Nötigste befand. Und jetzt sah sie nichts, das nicht absolut perfekt gewesen wäre. Von den Samtvorhängen im Wohnzimmer bis zu den Tapeten an den Wänden.
Olivers Zimmer, das neben ihrem Schlafzimmer lag, war der Traum eines jeden Jungen. Sein Bett sah aus wie ein Rennwagen, und die Tapete war mit seinen Lieblingscartoons bedruckt.
Trotzdem – ich habe das Richtige getan, indem ich nicht mit Raoul ins Bett gegangen bin, versuchte Sarah sich zu überzeugen. Auch wenn er sich wirklich bemüht und sich verhält wie der reinste Märchenprinz. Er ist ein Einzelgänger und wird es immer bleiben. Nie würde er sich binden, dies würde für ihn einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe gleichkommen.
Außerdem wäre es das sichere Aus für jeglichen versöhnlichen Umgang miteinander. Wenn ich mit ihm ins Bett gehe, werde ich am Ende nur verletzt.
Trotzdem rührte es sie zutiefst, wie viel Mühe er sich mit dem Haus gegeben hatte. „Wir müssen uns zusammensetzen und alles Weitere besprechen.“ Sie bemühte sich, freundlich, aber unverbindlich zu klingen.
Raoul sah sie an. Seinem
Weitere Kostenlose Bücher