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Nach all diesen Jahren

Nach all diesen Jahren

Titel: Nach all diesen Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Williams
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er wird dann sowieso schlafen.“
    Raoul blickte den Hörer an, als wäre er sein Feind, bevor er auflegte. Ich hätte ihr keine Zeit zum Nachdenken lassen sollen, sondern einfach ihre Zweifel wegküssen sollen.
    Ihre moralischen Bedenken ließen sich jedoch nicht so einfach wegküssen. So viel war ihm klar. Wo es für ihn nicht viel zu überlegen gab, steckte sie in einem unlösbaren Dilemma. Er versuchte, sich mit dem Gedanken zu trösten, dass andere Mütter auch schöne Töchter hätten. Als er jedoch sein Adressbuch öffnete und die Nummern der Frauen durchsah – jede einzelne eine Schönheit, die noch dazu freudig einem Date zugestimmt hätte –, musste er feststellen, dass sein Enthusiasmus schlagartig erlosch.
    Während er bislang einfach bei Sarah aufgetaucht war, wenn seine Zeit es erlaubt hatte, hatte sich die Situation jetzt gründlich geändert. Um Punkt halb sechs hatte er sich einzufinden. Oliver – in seinen besten Jeans und seinem schicksten Pullover – wartete schon auf ihn. Sarah hingegen trug ihre ältesten Sachen. Ihre Haare waren noch feucht vom Duschen und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
    „Wir sollten uns mit ihm zusammensetzen und die Situation gemeinsam erklären. Und dann könnt ihr zusammen etwas unternehmen. Es wird ihm gefallen, auch einmal mit dir allein zu sein. Ich habe inzwischen auch meinen Eltern Bescheid gesagt. Sie freuen sich sehr für Oliver.“
    Deutlicher hätte sie nicht machen können, wie sie sich in Zukunft unser Verhältnis vorstellt, dachte Raoul. Ein strikter Informationsaustausch – das war’s.
    Und dann war er plötzlich „offiziell“ Vater. Wie Sarah vorausgesagt hatte, nahm Oliver die Neuigkeit gelassen auf. Immerhin hatte er genug Zeit gehabt, um sich an Raoul zu gewöhnen. Irgendwie schien sich nichts verändert zu haben. Raoul hatte ihm eine – für seine Verhältnisse bewundernswert kleine – Packung Bauklötze mitgebracht und einen Malkasten. Beides fand offensichtlich Olivers Billigung.
    „Du musst unbedingt ein Foto machen und es mir zeigen, wenn Oliver anfängt, in deinem Wohnzimmer zu malen“, sagte Sarah sarkastisch. „Ich würde zu gern sehen, wie deine Ledermöbel mit einer Dekoration aus Wasserfarben wirken.“
    „Hast du vor, dich in Zukunft immer so zu verhalten?“, erkundigte sich Raoul kalt, während Oliver seinen Rucksack vollstopfte.
    Verlegen errötete sie. Sie wollte gar nicht streiten, sondern nur eine gesunde Distanz herstellen, damit sie einigermaßen unverfänglich miteinander umgehen konnten. „Es tut mir leid. Ich hätte das eben nicht sagen sollen“, murmelte sie, beugte sich zu ihrem Sohn und half ihm, den Rucksack umzuhängen. „Versprich mir, dass du brav bist! Hör auf deinen Vater!“ Oliver nickte feierlich, und Sarah richtete sich wieder auf. „Wann bringst du ihn zurück? Ich werde nämlich auch ausgehen.“
    „Du gehst aus? Wohin?“ Raouls Blick glitt über sie: alte Kleider, unfrisiert … das heißt, sie würde sich umziehen, sobald er und Oliver das Haus verlassen hatten.
    „Ich wüsste nicht, dass ich dir Rechenschaft schuldig wäre.“
    „Und was mache ich, wenn du nicht da bist, wenn wir zurückkommen?“
    „Du hast doch meine Handynummer. Du kannst mich jederzeit anrufen.“
    „Mit wem gehst du weg?“ Er wusste genau, dass allein die Frage ungeheuerlich war, trotzdem … Warum musste sie ausgehen, am ersten Abend, an dem er mit Oliver allein unterwegs war. Traf sie sich mit einem Mann? Wer war dieser Mann? Auch wenn sie behauptet hatte, es gäbe keinen in ihrem Leben. Wer sagte denn, dass es nicht schon Anwärter gab, die nur darauf warteten, dass sie endlich Zeit hatte. Wahrscheinlich einer dieser sensiblen Typen, die ihr angeblich so gefielen.
    Sarah lachte ungläubig auf. „Das glaube ich jetzt nicht, Raoul! Wie kannst du so etwas fragen?“
    „Was erstaunt dich daran?“
    „Weil es dich nichts angeht! Und jetzt würde ich vorschlagen, ihr geht allmählich los. Oliver ist schon ganz unruhig.“ Sie sah ihren Sohn an, der mit den Schuhspitzen gegen ein Stuhlbein trat und ungeduldig an Raouls Hand zerrte.
    Insgeheim war sie entsetzt, wie schnell sie wieder in das alte Fahrwasser gerieten. Anscheinend glaubte Raoul, Anrechte auf sie zu haben.
    Sie ging mit einer Freundin Pizza essen, aber keine zehn Pferde hätten sie dazu gebracht, ihm das zu erzählen. Außerdem beschloss sie aus Trotz, statt der alten Jeans einen Minirock und statt der Turnschuhe Pumps anzuziehen.
    Sie

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