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Nach alter Sitte

Nach alter Sitte

Titel: Nach alter Sitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Breuer
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Studenten identifizieren, die dort arbeiteten. Benny wandte sich um und sah in den Waldweg hinein, der in das Dunkel des Waldes führte. War das Geräusch von dort gekommen? Leichtfüßig lief er den Pfad hinauf. Die Steilheit des Weges spürte er nicht, seine jungen Beine waren gut trainiert. Der Weg machte eine Biegung, war nun über vierzig oder fünfzig Meter weit einsehbar. Da war nichts. Benny suchte den linker Hand in einem steilen Hang ansteigenden Waldboden mit den Augen ab. Außer einer achtlos weggeworfenen Getränkedose sah er nichts, was dort nicht hingehörte. Benny wandte sich um und ging zurück. Auf der anderen Seite des Weges fiel der Hang weiter in Richtung einer darunterliegenden Kuhweide ab. Dort lag wesentlich mehr Müll, den vermutlich Spaziergänger dort hinterlassen hatten. Offenbar warfen die Leute ihren Müll beim Spazierengehen lieber irgendwo herunter als herauf. Er wollte seinen Blick kopfschüttelnd wieder auf den Weg richten, als ihm etwas auffiel, was er dort nicht erwartet hätte. Er trat näher und hob den Gehstock auf, der dort im Unterholz gelegen hatte. Schrecken durchzuckte den jungen Mann. Dann rief er, so laut er konnte: »Opa Bertold! Lorenz! Bist du hier irgendwo?«
    Niemand antwortete.

24. Kapitel
    Lorenz war es seit Jahren gewohnt, dass das Aufwachen ein nicht immer schmerzfreier Vorgang war. Doch diesmal war es wirklich mehr als schlimm. Sein Hirn produzierte einen pochenden Schmerz im Rhythmus seines Herzschlages. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, die unschöne Situation durch Kommissar Wollbrand kommentieren zu lassen: »Der in Ehren ergraute Ermittler hatte in dem schmerzhaften Moment des Aufwachens nur einen einzigen klaren Gedanken in seinem übel lädierten Schädel: Er war zu alt für diesen Scheiß.«
    Der Kopfschmerz war so stark, dass Lorenz nicht spürte, ob seine Augen auf oder geschlossen waren. Sehen konnte er jedenfalls nichts. Er riss die Lider bewusst ganz weit auf, auch wenn dies besonders wehtat. Dann wurde ihm klar, dass entweder der Schlag auf den Kopf seinen Sehnerv außer Gefecht gesetzt hatte oder er sich in absoluter Dunkelheit befand. Der Alte beschloss, Letzteres anzunehmen. Neben dem Kopfschmerz spürte er ein seltsames Schwindelgefühl und eine auf dem Magen lastende Übelkeit. Vermutlich hatte er eine Gehirnerschütterung davongetragen. Ein seltsamer Geruch in der Nase und ein entsprechend ekliger Geschmack im Mund wiesen allerdings auch daraufhin, dass die Übelkeit vermutlich nicht nur von einem Schlag auf den Kopf herrührte. Leise brummte er: »Kommissar Wollbrand kannte solche Situationen. Er wusste, nun war es von entscheidender Wichtigkeit, seine Aufmerksamkeit nicht etwa sich selbst, sondern seiner Umgebung zu widmen.«
    Er lauschte angestrengt auf Geräusche, die an sein Ohr drangen. Es war absolut nichts zu hören. Kein Straßenverkehr, keine Tierstimmen aus dem Wald, keinerlei Geräte, die brummen oder knarren würden, gar nichts. Fieberhaft überlegte er, welche Art von Räumlichkeit jedes Quäntchen Licht und jedes Geräusch fernhalten könnte. Ein massiver Keller? Ein unterirdischer Bunker vielleicht? Lorenz überlegte, ob es in der Gegend um Blens solche Bunker gab. Dann fiel ihm ein, dass er keine Vorstellung davon besaß, wie lange er bewusstlos gewesen war. Im Grunde genommen hätte er überall sein können. Aber Lorenz beschloss anzunehmen, dass er nicht weit fortgeschafft worden war. Ein Schlag auf den Kopf nebst Gehirnerschütterung hielt sicher nicht so lange vor, dass man ihn ohne zusätzliche Betäubung hätte weit weg transportieren können. Da er in der direkten Umgebung keine intakten Bunker kannte, beschloss er, in einem Kellerraum zu sitzen. Das führte ihn zu der nächsten Überlegung. Er saß. Und er war nicht gefesselt. Lorenz versuchte aufzustehen. Dies ließ zwar den Schmerz in seinem Hirn explodieren, war aber unumgänglich. Langsam und wackelig erhob er sich. An seinem Rücken spürte er eine Wand, die sich rau und grob anfühlte. Stein. Er hob seine Hände und stieß knapp über seinem Kopf auf eine Decke. Er fasste in etwas hinein, das sich wie Staubfäden oder Spinnweben anfühlte. Dann krabbelte etwas an seinen Fingerspitzen herum, und er zuckte zurück. Also Spinnweben. Das bedeutete aber auch, dass dieser Raum nicht immer komplett abgedunkelt sein konnte. Langsam tastete er sich vorwärts, bis er an die gegenüberliegende Wand stieß. Er hatte vergessen, die Trippelschritte zu zählen, schätzte

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