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Nach dem Amok

Titel: Nach dem Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriam Keil
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alten Frau die Einkäufe nach Hause getragen. Toten bringt man nichts vorbei.
    Â»Hm«, sagt Jannik. Er scheint etwas Ähnliches zu denken.
    Â»Was hältst du davon, wenn wir in den Osterferien ein paar Tage wegfahren?«, wechsle ich das Thema.
    Â»Mit all unseren Eltern?«
    Ich muss lachen.
    Â»Nein«, sage ich. »Ich kann meine nicht mehr ertragen. Mit deinen, wenn es sein muss. Vielleicht auch was mit Betreuern, wie damals in Frankreich. Oder wir hauen einfach ab, nur wir allein.«
    Ich denke an meinen anderthalbstündigen nächtlichen Ausflug zum Friedhof. Keine gute Idee, das mit dem Abhauen. Jannik kichert und verkündet, wir müssten wohl doch unsere Eltern mitnehmen, seine zumindest, denn nur dann könnten wir weg, ohne all unser Taschengeld für den Trip opfern zu müssen. Das ohnehin nicht ausreichen würde.
    Â»Wieviel hast du gespart?«, fragt er.
    Â»Zu wenig«, bekenne ich.
    Â»Ich auch«, sagt er und lacht.
    Dass ich beinahe Hausarrest bekommen hätte wegen der Friedhof-Aktion, das erzähle ich ihm nicht. Papa hat sich letzten Endes dann doch für ein Fernsehverbot entschieden. Sie geht in der letzten Zeit ohnehin kaum noch raus, hat Mama gesagt. Sie sollte unbedingt mehr rausgehen, hat sie damit sagen wollen. Ein Hausarrest wäre keine Strafe für sie, hat er verstanden. Und mir kommt es vor, als verstünde ich die beiden inzwischen schon richtig gut, wenn sie aneinander vorbeireden. Als hätte ich mich auf eine von Grund auf veränderte Kommunikation mit ihnen eingestellt.

13
    Niemand ist zu Hause, als ich den Laptop einschalte. Nicht meinen Laptop, sondern Davids. Nach Abschluss der polizeilichen Untersuchungen hat man ihn uns zurückgegeben. Soweit ich das verstanden habe, haben sie versucht, etwaige Mittäter oder Mitwisser des Amoklaufs zu ermitteln. Offenbar haben sie nichts gefunden, aber das hätte ich ihnen gleich sagen können. David war keiner, der so was zusammen mit anderen durchgezogen hätte. Andererseits hätte ich ja aber auch nicht gedacht, dass er es allein tun würde. Was weiß ich denn überhaupt noch über ihn? Nichts weiß ich, gar nichts. Doch vielleicht werde ich mehr begreifen, wenn ich die Dokumente auf seinem Laptop kenne. Dann werde ich wieder wissen, wer er war. Wer er geworden ist, nachdem ich aufgehört habe, ihn zu kennen.
    Ich hatte schon gar nicht mehr daran gedacht, dass wir den Laptop, sofern er nicht als Beweismittel einbehalten werden würde, nach einiger Zeit wiederbekämen. Als das Gerät weg war, habe ich nicht über seine Bedeutung nachgedacht, ich hatte nie etwas mit Davids Laptop zu tun, außer einmal, vor etwa einem Jahr, als meiner kaputt war und David mir für ein paar Tage den Zugang zu seinem gewähren musste – auf elterliche Anweisung, der er nur mit mäßiger Begeisterung nachkam. Wehe, du verstellst mir was, hat er gesagt, und blockier ihn gefälligst nicht dauernd. Ich muss daran meine Hausaufgaben machen, habe ich erwidert, mir ein Grinsen verkniffen und schnell das YouTube-Fenster minimiert, als er näher kam. Ich muss auch Hausaufgaben machen, hat er gesagt, es klang ein bisschen maulig. Da mussten wir dann beide lachen. Damals war noch alles in Ordnung, oder zumindest beinahe.
    Der Cursor blinkt im weißen Feld. Passwort. Ratlos schaue ich auf den blinkenden Strich. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass der Passwortschutz nach der Untersuchung durch die Polizei nicht mehr bestehen würde. Die mussten das Passwort doch schließlich knacken, um an die Daten zu kommen, und wieso geben sie den Angehörigen ein Gerät zurück, das diese nicht nutzen können?
    Ich erwäge kurz, den Laptop in ein Fachgeschäft zu bringen und das Passwort beseitigen zu lassen. Es ist Samstagvormittag, und wenn ich mich gleich auf den Weg mache, kann ich den Laptop noch vor Ladenschluss abgeben. Die Läden schließen in dieser piefigen Stadt samstags fast alle schon um die Mittagszeit. Ich könnte zu dem kleinen Laden in der Hellbachstraße gehen. Ob die das machen, ein Passwort knacken? Dürfen die das überhaupt? Bestimmt wollen sie den Kaufbeleg sehen, ich könnte den Laptop sonst ja auch gestohlen haben. Ich habe keine Ahnung, ob der Kaufbeleg noch existiert, und falls ja, wo er sich befinden könnte.
    Dann habe ich eine bessere Idee. Zumindest weiß ich noch, dass der Laptop beliebig viele Versuche zulässt,

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