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Nach dem Amok

Titel: Nach dem Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriam Keil
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will einfach ein paar Tage Abstand von allem. Dann werden wir weitersehen.«
    Â»Ich kann alleine nach Hause gehen.«
    Die Bettdecke schluckt das meiste von meiner Stimme.
    Â»Den Eindruck habe ich nicht.«
    Romy sagt, sie habe Sandra, Andi und Patrick dabei beobachtet, wie sie sich über ein Handy beugten, das Sandra in der Hand hielt. Als sie näher gekommen sei, hätten die drei ihre Köpfe gehoben und Sandra habe schnell etwas auf dem Handy weggedrückt.
    Â»Sie wissen, dass ich auf deiner Seite bin«, sagt Romy.
    Â»Bist du das?«
    Â»Ja, schon. Aber ich kann so nicht weitermachen. Es ist nicht wegen der Clique, die sind mir egal. Wenn sie sich gegen dich stellen, dann brauche ich sie auch nicht mehr. Es ist wegen Marc. Ich will ihn nicht verlieren.«
    Â»Kann ich verstehen.«
    Â»Echt?«
    Â»Ja. Natürlich. Aber Marc muss doch gar nicht wissen, dass du weiter zu mir hältst. Wenn du mir hin und wieder erzählst, was sie vorhaben …«
    Â»Ich soll Marc anlügen?«
    Â»Das hat doch nichts mit Lügen zu tun.«
    Â»Finde ich aber schon.«
    Vor uns werden zwei Eisbecher abgestellt. Wir haben uns heute in der Eisdiele verabredet, denn Romy wollte sich mit mir treffen, um mir etwas zu sagen. Zunächst dachte ich, es ginge nur um die Sache mit dem Handyfoto, aber da scheint noch etwas anderes zu sein. Ich dränge sie nicht, weil ich spüre, dass sie Zeit braucht. Sie sitzt mir gegenüber, und ich sehe nur eine Seite ihres Eisbechers, ähnlich wie bei Holtmanns Foto. Das Himbeereis, das zu mir gedreht ist, schmilzt langsam an, während Romy mit dem Eis auf der anderen Seite des Bechers beschäftigt ist. Als Romy den beladenen Löffel zum Mund führt, sehe ich, dass sich auf der anderen Seite Vanille und Pistazie befinden. Die vierte Sorte muss irgendwo ganz unten sein, aber ich kann sie nicht sehen. Sie existiert, genau wie das Foto in Holtmanns Bilderrahmen, wird aber erst sichtbar werden, wenn sie hervorgeholt wird, so wie ich Holtmanns Fotorahmen erst umdrehen musste, um zu sehen, was sich in der Einfassung befindet. Auf dem Foto waren tatsächlich zwei Kinder zu sehen gewesen, so wie ich es mir immer vorgestellt habe, aber keine Frau. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass es keine Frau gibt, sie ist vielleicht nur nicht sichtbar, wie die vierte Eissorte.
    Ich warte, bis Romy so weit ist, mit dem Eis und mit dem, was sie loswerden will.
    Â»Das ist das letzte Mal, dass wir uns treffen«, sagt Romy leise.
    Â»Wie meinst du das?«
    Sie rührt in den verbliebenen Eisresten herum. Die vierte Eissorte ist Walnuss.
    Â»Ich mag dich gern, Maike. Sehr. Und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich weiß, dass es nicht in Ordnung ist, wie ich mich verhalte. Aber ich muss das jetzt tun. Für Marc und mich.«
    Â»Was musst du tun?«
    Â»Ich möchte mich nicht mehr mit dir treffen. Und in der Schule werde ich nur noch das Nötigste mit dir reden. Bitte, vergiss nie, dass es nicht deine Schuld ist. Ich bin diejenige, die Schuld hat. Ich schaffe es einfach nicht, wegen dir alles aufzugeben, was mir wichtig ist. Auch wenn ich weiß, dass es feige ist.«
    Sie kann mir nicht einmal in die Augen sehen.
    Â»Schau mich wenigstens an!«, verlange ich.
    Sie sieht hoch, blinzelt nervös, doch sie bemüht sich und hält meinem Blick stand.
    Â»Vielleicht ist es ja nicht für ewig«, sagt sie.
    Â»Nur so lange, bis alle die Sache verdaut haben?«
    Â»Es tut mir so leid«, sagt sie und steht auf. »Tschüs, Maike.«
    Wenn sie versucht, mich zum Abschied zu umarmen, haue ich ihr eine rein.
    Aber sie versucht es nicht.
    Â»Du brauchst sie nicht«, meint Kim, als ich sie noch von der Eisdiele aus anrufe.
    Ich habe ihr erzählt, Romy habe mir wegen des von Sandra in die Welt gesetzten Gerüchts, ich würde Jannik betrügen, die Freundschaft gekündigt.
    Â»Wo bist du? Soll ich vorbeikommen?«, fragt Kim.
    Â»Ich bin im Rialto. Dem Eiscafé.«
    Â»Bin in zwanzig Minuten bei dir.«
    Während ich auf sie warte, betrachte ich meinen Eisbecher. Er steht immer noch vor mir. Weil ich nach der Hälfte aufgehört habe zu essen, hat sich die Bedienung wohl noch nicht getraut, ihn abzutragen. Sie hat mich auch nicht gefragt, ob ich fertig bin, obwohl das Eis mittlerweile zu einem unappetitlichen Brei zusammengeschmolzen ist. Entweder denkt sie, ich stehe auf Eisbrei, oder sie hat Angst,

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