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Nach dem Amok

Titel: Nach dem Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriam Keil
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sie mir zuliebe ab jetzt zulassen würde.
    In diesem Moment klingelt es, und ich bin froh, dass seine Hände zu zittern aufhören, weil sie nun etwas zu tun haben.
    Â»Das ist die Polizei«, sagt er, nachdem er an der Sprechanlage war. »Die wollen kurz mit Maike reden und sehen, dass es ihr gut geht.«
    Â»Es geht ihr nicht gut«, schluchzt Mama.
    Â»Du weißt, wie ich das meine.«
    Er geht zur Wohnungstür und empfängt zwei Polizisten, die polternd durchs Treppenhaus kommen. Bestimmt kleben sämtliche anwesenden Nachbarn an ihren Türspionen. Ich schaue Mama an und sehe, dass sie wohl ungefähr das Gleiche denken muss wie ich.
    Die polternden Polizisten betreten die Wohnung, einer von ihnen tituliert mich als die kleine Ausreißerin , der andere tritt eine Ewigkeit lang seine Schuhe an unserer Fußmatte ab.
    Als sie dann mit der Fragerei beginnen, merke ich, dass ich ihnen meine Handlungen nicht verständlich machen kann, ohne zuvor das andere erklärt zu haben. Ich muss es erklären, für David und für Katja, aber vor allem für mich. Ich sehe Jannik an, und er nickt mir aufmunternd zu.
    Â»Ich muss Ihnen etwas zeigen«, sage ich.

33
    Â»Wusstest du, dass die Blätter von Blutbuchen zum Herbst hin immer grüner werden?«, sagt Jannik.
    Wir liegen auf meinem Bett, sein Arm ist unter meinen Kopf geschoben. Durch den Druck meines Kopfes ist sein Arm komplett in das darunterliegende Kissen eingesunken, als wäre er ein Teil davon. Ich kuschele mich in das Armkissen hinein.
    Â»Warum ist das so?«, frage ich.
    Â»Keine Ahnung. Müsste man mal googeln.«
    Wir kichern. Ich bin froh um diese paar Minuten, die meine Eltern mir allein mit Jannik in meinem Zimmer zugestanden haben. Am liebsten hätten sie mich gar nicht mehr aus ihrer Sichtweite gelassen. Ich habe die Zeit genutzt, um Jannik von der Blutbuche auf dem Friedhof zu erzählen, es erschien mir irgendwie wichtig.
    Â»Finde ich gut«, sage ich jetzt, »das mit den grünen Blutbuchen.«
    Â»Ich auch«, meint Jannik und küsst meine Nasenspitze.
    Â»Glaubst du, es war richtig, Ben und Nicole da mit reinzuziehen?«
    Â»Du hattest keine andere Wahl. Sie werden es bestimmt verstehen.«
    Nachdem ich den Polizisten Davids Blog gezeigt hatte, hat Mama schrecklich geweint. Sie ist in Davids Zimmer verschwunden und erst nach einigen Minuten wieder herausgekommen. Es muss schwer für sie gewesen sein, überhaupt wiederzukommen. Ich glaube, sie hat es getan, um mir zu zeigen, dass sie für mich da sein will. Auch Papa sah aus, als würde er sich schlimme Vorwürfe machen, dass er sich damals so vehement geweigert hat, sich den Blog anzusehen.
    Inzwischen sind die Polizisten weg, und Mama hat sich an den Herd gestellt, um Essen zu kochen. Sie hat gefragt, was ich mir wünsche, und ich habe ein Gericht genannt, das ich zwar gern, aber nicht total gern esse, denn dass man mir jetzt mein Lieblingsessen kocht, habe ich nicht verdient. Sie hat genickt und sah aus, als würde sie mich durchschauen.
    Â»Und Kim? Du meinst wirklich, dass sie mich noch mag?«
    Â»So, wie sie von dir gesprochen hat, muss sie dich sehr mögen. Aber sie ist enttäuscht, weil du dich ihr nicht anvertraut hast. Beste Freundinnen erzählen sich alles, hat sie gesagt, sie müsste dir da wohl noch eine ganze Menge beibringen. Ach so, und sie hat erwähnt, dass sie ein Praktikum in Aussicht hat, aus dem ein Ausbildungsplatz werden könnte, ganz in der Nähe. Sie wird also nach der Schule erst mal hierbleiben. Das hatte sie dir an dem Abend, an dem du verschwunden bist, eigentlich erzählen wollen.«
    Â»Wir haben nie darüber gesprochen, dass sie bald weggehen könnte. Das ist doch verrückt. Ich habe immer gewusst, dass sie dieses Jahr mit der Schule fertig wird, und trotzdem ist mir nie der Gedanke gekommen, dass sie danach wegziehen könnte.«
    Â»Wahrscheinlich wolltest du einfach nicht daran denken.«
    Ich kuschele mich noch fester in Janniks im Kissen versunkenen Arm und denke an das, was wir letzte Nacht in der Hütte besprochen haben. Wir haben vieles besprochen, und alles davon war wichtig, aber eine Sache ganz besonders, und die muss ich meinen Eltern noch beibringen.
    Wenig später sitzen wir in der Küche und essen Frikadellen mit Kartoffelsalat. Jannik ist heimgegangen, er muss Hausaufgaben machen und hat außerdem versprochen, sich bei jemandem aus

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