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Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Titel: Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus-Ulrich Bielefeld , Petra Hartlieb
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quäkende Töne drangen und sich vermischten, ein Mozart-Klavierkonzert wurde von der linken Seite mit Heavy Metal und von der rechten Seite mit Grönemeyer unterlegt. So früh am Tag wollte Bernhardt noch alles gut finden: Interessante Mixtur, redete er sich ein.
    In den Diensträumen in der Keithstraße taute er auf: Das trübe und doch irgendwie warme Licht, die vollgepackten Schreibtische, die Kollegen – hier fühlte er sich zu Hause. Er ging als Erstes ins Zimmer seines Vorgesetzten Freudenreich und stimmte mit ihm die Pressemeldung ab, die nun einmal raus musste. Freudenreich, der Kumpel aus alten linkssozialistischen Tagen, ermahnte ihn, die Pressevertreter nicht zu reizen, besonders nicht das alte Schlachtross von der Regionalschau und die blonde Reporterin von der Zeitung mit den großen Buchstaben. Bernhardt gelobte, sich nicht provozieren zu lassen, und ging zurück ins Büro.
    Katia Sulimma saß am Computer und lächelte ihn an. Allein ihr Lächeln konnte einen Tag retten. »Thomas, ey. Einen Kaffee und ein Croissant?«
    Er hatte in seiner Wohnung nicht gefrühstückt. Machte er nie. Sie stellte ihm einen Pott mit dampfendem Kaffee auf den runden Tisch und ein Croissant. Als sie sich über ihn beugte, roch er ihr Parfüm. Warm, aber nicht zu schwer, irgendwas Zimtiges. Sie hatte ihm das mal erklärt: Im Frühling trug sie florale Düfte, Jasmin, Oleander, im Sommer etwas Kühlendes, Zitrone, Limone, im Herbst reife Früchte, Apfel und Quitte, und im Winter etwas Wärmendes, Kaffee und Cognac. Sie schaute ihn an. »Wie findest du mein Parfüm?«
    Irgendwann, im verdammt heißen Sommer des vergangenen Jahres, hatte er sie einmal auf ihr Parfüm angesprochen. Das hatte ihr gefallen. Und seitdem kam sie manchmal darauf zurück. »Weißt du, ich habe einen Laden in der Kantstraße gefunden, zwischen Wilmersdorfer und Kaiser-Friedrich. Der hat Hunderte von Duftessenzen, da mixe ich mir jetzt manchmal selbst was zusammen. Was ich heute trage, das ist meine Kreation.«
    Cellarius war zu ihnen getreten, hatte höflich zugehört und sich dann kurz geräuspert.
    »Katia, wirklich gelungen, aber sollten wir nicht…? Du wolltest doch schauen, wo und wie Sophie Lechner aufgewachsen ist. Da gibt’s bis jetzt nichts richtig Konkretes. Vielleicht wäre es sogar sinnvoll, in Wien bei Anna Habel nachzufragen?«
    Katia Sulimma drehte sich einmal um ihre eigene Achse, was erstaunlich elegant aussah, und ging zu ihrem Schreibtisch. Selbstverständlich hatte sie ihre dicken, gefütterten Winterstiefel ausgezogen und trug im Büro schicke High Heels.
    »Celli, ich bin dran. Mit ›Anna der Schrecklichen‹ hat’s noch ein bisschen Zeit. Die drängt sich noch früh genug in den Fall. Cornelia hat sie gestern Abend ja schon einmal vorgewarnt.«
    Auf Katias Schreibtisch klingelte das Telefon. »Wirklich? Och, Mensch, Cornelia. Fast 40   Grad? Nee, bleib zu Hause. Ja, ja, ich sag’s hier. Du weißt ja, was Thomas immer empfiehlt. Wie? Genau. Zwei Liter Lindenblütentee, aber nicht die Beutel mit dem Staub nehmen, sondern richtige Lindenblüten. Ja, genau…« Katia lachte. » …am besten die aus der Provence! Ja, ja, nee, selbst trinkt er wahrscheinlich gar keinen Lindenblütentee. Also, mach’s gut, pass auf dich auf und auf die Kinder.«
    Bernhardt und Cellarius winkten Grüße.
    »Die zwei Männer grüßen dich. Nee, nicht Krebitz. Celli und Thomas. Wart mal. Sag’s noch mal lauter, Thomas. Ja, also, er empfiehlt dir alternativ ein altes hessisches Rezept: heißen Apfelwein mit Zitrone, Honig und Zimt. Was sagst du? ›Erbarme, die Hesse komme‹? Für so hohes Fieber bist du aber noch ganz gut drauf. Aber jetzt muss unser Hesse erst mal mit Celli raus ins feindliche Leben. Also, halt durch!«
    Feindliches Leben war übertrieben. Im Büro des Intendanten des Berliner Theaters war es gemütlich warm. Der Hausherr hatte sich dekorativ in seinen Sessel drapiert – und gab den Intendanten, Typ gnadenloser Gesellschaftskritiker, Gestus: Ich reiße der verlogenen Bourgeoisie die Maske vom Gesicht. Als er sein Amt vor einem gefühlten Vierteljahrhundert antrat, hatte er gleich laut und deutlich sein Motiv benannt: Eine »scharfe Machete« wolle er sein inmitten der kapitalistischen Verhältnisse.
    In der Zeitung mit den großen Buchstaben hatte Bernhardt vor einiger Zeit gelesen, dass der Intendant seinen Vertrag vorzeitig verlängert habe. In einem Interview befand er, er sei »wirklich billig für einen Regisseur der

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