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Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Titel: Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus-Ulrich Bielefeld , Petra Hartlieb
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durch! Die Erkenntnis durchfuhr Bernhardt wie ein Blitz. Der war für Argumente nicht mehr zugänglich, er wägte nicht mehr das Verhältnis von Chance und Risiko ab, der war eine Bombe, die jederzeit hochgehen konnte. Steiner war inzwischen zu Anna getreten und machte sich mit seinen Schnüren an ihr zu schaffen. Sie gab Bernhardt, der gekrümmt auf dem Boden saß, ein winziges Zeichen: Kaum merklich drehte sie ihre Augen in Richtung eines Fensters.
    Bernhardt begriff zunächst nicht. Ein Huschen, ein sekundenkurzes Schattenspiel, war da was? Und dann: ein unglaubliches Krachen, vermischt mit dem Geschrei vorwärtsstürzender Menschen in schwarzen, schreckerregenden Monturen. Der Raum war urplötzlich in blendende, schmerzende Helligkeit getaucht. Bernhardt hatte das noch nie erlebt. Blendgranaten waren das. Irre. Er spürte, wie er anfing zu zittern, wie er sich noch mehr zusammenkrümmte. Alles in Extremzeitlupe. Wie Steiner einfach umgeworfen, geschlagen und gefesselt wurde. Und gleich darauf erfuhr er, wie es sich anfühlte, wenn die Sinne schwanden. Sie schalteten langsam ab, bis er nichts mehr wahrnahm und in einer kurzen Bewusstlosigkeit versackte.
    Die Fahrt ins Tal auf einem Schlitten blieb ihm nur unklar im Gedächtnis. Er kam erst wieder zu sich in der Dienststube von Revierinspektor Hoffer. Ein Arzt versorgte sein zerschlagenes Kinn. Eine Ärztin kniete vor Anna Habel und sprach auf sie ein. Nein, Anna wollte kein Beruhigungsmittel. Sie wollte mit Steiner sprechen, der in der Mitte des Zimmers in Handschellen auf einem Stuhl saß.
    Die Bewegung in dem Raum war groß. Leute vom Einsatzkommando wuselten umher, der Chefinspektor aus Gmunden versuchte sich ein Bild zu machen. Hoffer Ernst gab den Hausherrn.
    Anna trat auf Bernhardt zu.
    »Alles okay?«
    »Kann man so sagen. Und bei dir?«
    »War knapp diesmal, aber alles okay. Die haben uns ganz gut rausgerissen.«
    »Und wie weiter jetzt?«
    »Den Steiner nehmen wir jetzt mit nach Wien.«
    »Ist der denn transportfähig?«
    »Wenn wir’s sind, ist er’s auch. Wir fixieren den auf einer Trage, setzen ihn in einen Krankenwagen, Arzt und Polizisten dazu, fertig. Die Ermittlungen liegen ja in meiner Hand.«
    »Der redet nicht mehr.«
    »Ja, Schock oder was weiß ich. Vielleicht mimt er auch nur. Dafür gibt’s Psychiater.«
    Sie verabschiedeten sich von Hoffer Ernst. Anna Habel hatte schon wieder einen guten Schmäh drauf.
    »War mir eine Ehre und ein Vergnügen, Kollege Hoffer. Schaun S’ mal vorbei, wann S’ in Wien sind. Und ich mach im nächsten Sommer vielleicht Urlaub am Hallstätter See.«
    Hoffer replizierte mit altösterreichischer Grandezza. »Küss die Hand, Frau Kollegin, das war ein großes Erlebnis, die Krönung meines Berufslebens, möchte ich fast sagen. Ich hab ein kleines Boot, damit könnten wir eine Tour über den Hallstätter See machen, am besten in Begleitung vom geschätzten Berliner Kollegen.«
    Er verneigte sich in Richtung Bernhardt. Der verneigte sich ebenfalls und dachte bei sich, dass es eigentlich keinen besseren Beruf gab als den des Kriminalkommissars. Immer aufs Neue: Expeditionen ins Ungewisse.
    Während der Fahrt in Richtung Wien hatten Anna Habel und Thomas Bernhardt die Informationen aus ihrer beider Büros gecheckt und miteinander verglichen. Sie waren begeistert. Das war absolut wasserdicht. Sie hatten jetzt genug in der Hand, um Steiner festzunageln.
    Im Wiener Büro flatterte Hofrat Hromada mit den Flügeln.
    »Frau Habel, gute Arbeit, da stehn ma am Stockerl. Aber viel zu hohes Risiko. – Und Herr Bernhardt, ich bedaure zutiefst, dass Sie in Ausübung Ihres Dienstes…«
    Bernhardt spielte den Starken, und in der Tat fühlte er sich auch ganz gut. Ordentlich Adrenalin und zwei Voltaren, da lief das schon.
    Endlich kam auch Steiners Rechtsanwalt, der seine Bestürzung nicht verbergen konnte. Er sah, was den anderen schon vorher aufgegangen war: Steiner war ein anderer geworden. Kaum erkannte man in dieser starren Gestalt noch den alten geschmeidigen, zynischen Burschen.
    Der Rechtsanwalt riet seinem Mandanten, was er ihm zu raten hatte: Aussageverweigerung. Aber Steiner schüttelte den Kopf. »Irgendwann ist Schluss. Ich sage, was ich weiß.«
    Auch die Stimme dieses in sich gekehrten, wie gebrochen wirkenden Mannes hatte sich verändert, war spröde und schwach geworden. Einen solchen Zusammenbruch eines Menschen hatten Thomas Bernhardt und Anna Habel noch nicht erlebt. Der war vom Blitz getroffen, sagte sich

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