Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
hatten, von Sophie Lechners verschlungenen Wegen in den Internetforen und fragte sie, wie sie selbst nun vorgehen werde. Chronologisch? Geburt, frühe Familiengeschichte, Klosterschule, Schauspielschule, Theater?
Nein, sie werde erst mal das berufliche Umfeld checken, dann das private. Sie klang schon wieder unwirsch.
»Ja, ja, ist ja gut. Schritt für Schritt.«
»Genau so.«
Bernhardt schwieg kurz, dann versuchte er es.
»Ich hätte Lust, heute Abend mit dir drei Achterl zu trinken, mindestens.«
Schweigen, dann leises Seufzen.
»Ich auch, baba.«
»Ja, selber baba. Wir telefonieren am Abend, okay.«
Helmut Motzko und Gabi Kratochwil hatten sich bisher diskret zurückgehalten. Nun blickten sie Anna erwartungsvoll an.
»Ja, ihr habt richtig gehört. Wir haben einen neuen Fall. Also, eigentlich ist es ein Fall in Berlin, aber die schaffen es mal wieder nicht ohne uns. Es geht um die tote Schauspielerin Sophie Lechner, da führen wohl jetzt doch ein paar Spuren nach Wien. Wir müssen ein paar Leute aus ihrem näheren Umfeld befragen. Ich fahre jetzt mal zu dieser Künstleragentur, die hatten anscheinend einen recht engen Kontakt zur Lechner. Sie verabreden bitte einen Termin mit dem Burgtheaterdirektor, sagen wir so ab elf Uhr? Wir treffen uns dann im Theater und befragen so viele Leute wie möglich. Und am Nachmittag nehmen wir uns dann Hans-Günther Steiner vor. Da versuchen Sie auch mal einen Termin zu bekommen.«
Sie schnappte sich ihre Umhängetasche, warf ihre Jacke über und schlüpfte aus der Tür. Auf der Straße raubte ihr der eiskalte Wind fast den Atem, und der Schnee blies ihr waagrecht ins Gesicht und in den Jackenkragen. Sie lief noch mal zurück, doch da kam ihr Helmut Motzko auch schon mit Schal und Mütze entgegen. »Danke, wie aufmerksam.« Der junge Kollege lächelte glücklich, und als er sich umdrehte, blickte ihm Anna einen Moment nach. Wie beflissen er war, voller Ambitionen… Würde er mit der Zeit ein guter Kriminalbeamter werden oder auch nur einer von den vielen verbrauchten, kaputten Zynikern? »Motzko?«
»Ja, Frau Habel?«
»Versucht die Strukturen im Burgtheater ein wenig aufzudröseln. Wer für was zuständig ist, mit wem die Lechner eng zu tun hatte. Regisseure, Assistenten, Kostümbildner, was es da alles so gibt.«
»Okay, machen wir.«
Die Plankengasse war eine kleine Seitengasse in der Innenstadt, in die sich selten ein Tourist verirrte. Auch Anna fand sie nicht sofort und lief mindestens zweimal daran vorbei, sie hatte keine Lust, im Schneetreiben den Stadtplan aus ihrer Tasche zu kramen.
Ein kleines, goldenes Türschild wies auf die Agentinnen 007 hin. »Künstlervermittlung« stand in Anführungszeichen darunter, als würden selbst die Betreiber der Agentur ihre Tätigkeit nicht frei von Ironie betrachten. Anna Habel musste zweimal klingeln, ehe die Tür mit einem leisen Summer geöffnet wurde. Im Inneren des Altwiener Stiegenhauses noch einmal eine kleine Tafel mit dem Hinweis »3. Stock«. Die Wohnungstür oben war angelehnt, und als sie den Vorraum betrat, rief ihr eine helle Frauenstimme entgegen: »Kommen Sie rein, ich bin hier hinten.« Gleichzeitig sprang ihr ein kleines Fellknäuel entgegen, das scharf vor ihrem Bein abbremste und Anna erwartungsvoll anwedelte.
»Giacomo! Hierher! Komm zurück!« Im Türrahmen stand eine blonde, sehr attraktive Frau in den Dreißigern. Sie lächelte Anna entschuldigend an und nahm das Hündchen auf den Arm. »Felicitas Zoltan! Freut mich. Legen Sie doch ab, und kommen Sie rein. Auf Ihrem Bewerbungsbogen sehen Sie ganz anders aus, aber das macht nichts. Wir werden alles besprechen.«
Anna schlüpfte aus ihrer Jacke, schüttelte kurz den Schnee von der Mütze und fuhr sich unwillkürlich durchs Haar. Neben solchen Frauen fühlte sie sich automatisch wie ein hässliches Entlein, diese Zoltan sah vermutlich selbst nach einer durchzechten Nacht mit verschmierter Wimperntusche noch umwerfend aus. Oder sie sah so aus, weil sie sich eine durchzechte Nacht schlicht nie erlauben würde.
»Ich glaube, Sie verwechseln mich. Ich habe keine Bewerbung geschickt. Mein Name ist Anna Habel, ich bin von der Polizei, Abteilung Leib und Leben.«
Felicitas Zoltan drückte den Hund fest an die Brust, der quietschte erschrocken auf, und die Frau setzte ihn auf den Holzboden. »Ist etwas passiert? O mein Gott, gab es einen Unfall?«
»Sie haben doch sicher von Sophie Lechners Tod gehört?«
»Ach, deswegen sind Sie hier? Da bin ich aber
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