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Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Titel: Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus-Ulrich Bielefeld , Petra Hartlieb
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beruhigt – also ich meine, das ist natürlich schrecklich, aber das wissen wir ja schon seit Freitag, da konnte das schon ein wenig sacken. Aber was möchten Sie denn von uns wissen? Das ist doch in Berlin passiert?«
    »Ja, aber das heißt ja nicht unbedingt, dass es ein Berliner war. Sophie Lechner hatte schließlich ihren Lebensmittelpunkt bis vor kurzem hier in Wien. Und wurde auch von Ihrer Agentur betreut.«
    »Ja, da haben Sie natürlich recht. Mal sehen, ob wir Ihnen helfen können. Wollen Sie einen Tee?«
    »Ja, gerne. Wo ist denn Ihre Kollegin?«
    Felicitas Zoltan schenkte Anna aus einer Glaskanne dampfenden Kräutertee ein und stellte die Tasse auf einen kleinen Tisch, um den drei Lederfauteuils standen. Anscheinend die Besprechungsecke. »Gilda Beyer? Die ist leider krank. Angina. Sie wird erst Ende der Woche wiederkommen.«
    »Wie gut kannten Sie Frau Lechner?«
    »Mein Gott, wie gut kennt man jemanden? Wissen Sie, das ist bei Schauspielern noch um einiges schwieriger zu beantworten als bei ›normalen‹ Menschen. Die spielen doch letztlich immer eine Rolle.«
    »Vielleicht beschränken Sie sich erst mal auf die Fakten, bevor wir anfangen zu psychologisieren. Seit wann betreuen Sie Frau Lechner, wie oft haben Sie sie gesehen, was umfasste Ihr Betreuungsangebot, welche Rollen haben Sie ihr vermittelt, wann haben Sie sie zuletzt gesehen, gesprochen, per Mail Kontakt gehabt?«
    Als Felicitas Zoltan aufstand, um aus dem Hängeregister eine Mappe zu holen, verfluchte sich Anna wieder einmal für ihren schroffen Tonfall. Eine kleine Falte hatte sich auf der Stirn ihres Gegenübers gebildet, die Stimmung war merklich abgekühlt. Frau Zoltan legte wortlos eine Mappe auf den Tisch. Als Anna sie aufschlug, blickte ihr Sophie Lechner entgegen. Eine Schwarzweißaufnahme mit harten Konturen, die junge Frau sah direkt in die Kamera. Sie war schön, aber das war nicht der Grund, warum Anna ein Ziehen im Magen spürte. Es war die Präsenz der jungen Frau: Ihr Blick hatte etwas Kämpferisches und zugleich Verletzliches, sie sah auf dem Bild so unglaublich lebendig aus, ein Mensch mit zwei Gesichtern – Aufstieg und Ruhm waren darin angelegt, gleichermaßen Absturz und Verfall zu ahnen. Janusgesicht nennt man das, dachte Anna.
    »Unglaublich.«
    »Ja, das fanden wir auch, als wir damals diese Fotos machen ließen. Ein Wahnsinnsgesicht. Unverwechselbar. So etwas gibt es auch in unserer Branche nur alle paar Jahre.«
    »Darf ich das Foto haben?«
    »Ja, natürlich, ich hab noch ein paar Abzüge. Sophie Lechner kam 2004 zu uns. Da war sie ein unbeschriebenes Blatt und hatte eine solide Ausbildung abgeschlossen. Schauspielunterricht in privaten Instituten und eine Gesangsausbildung bei einer Lehrerin, die wir nicht kannten. Ich hab sie bei einem kleinen Stück im Theater in der Drachengasse entdeckt und sie vom Fleck weg in unsere Betreuung übernommen.«
    »Und wie ging es dann weiter?«
    »Dann haben Frau Bayer und ich ihre Karriere geplant: Keine unwichtigen Rollen mehr, den Markt nur nicht übersättigen mit diesem Gesicht, gutplatzierte, wohlüberlegte Auftritte.«
    »Und funktionierte das?«
    »Ja. Es funktionierte. Zumindest am Anfang. Sie war äußerst diszipliniert. Wie ein wissbegieriges Kind hat sie all unsere Ratschläge befolgt. Und der Plan ist aufgegangen.«
    »Und was war nachher?«
    »Wie nachher?«
    »Na, Sie haben gesagt, am Anfang hat alles funktioniert.«
    »Sagen wir es so. Der Erfolg hat sie nicht gerade einfacher gemacht. Aber das ist normal. Wirklich schwierig ist sie dann vor zwei Jahren geworden. Da hatte sie wohl das Gefühl, sie braucht uns nicht mehr, sie hatte ja jetzt den großen Kulturmacher an ihrer Seite.«
    »Sie meinen Hans-Günther Steiner.«
    Felicitas Zoltan lächelte säuerlich und nahm einen Schluck von ihrem Tee. »Ja. Solche Typen glauben, sie können sich mit ihrem Geld alles kaufen. Und leider gibt es immer wieder Frauen, die darauf reinfallen.«
    »Dieser Steiner, was macht der eigentlich genau?«
    »Das müssen Sie ihn schon selber fragen. Der hat ein geschicktes Händchen und einen Rieseneinfluss in Politik und Wirtschaft. War ja selbst mal Politiker und ist jetzt ein großer Finanzjongleur. Und weil er die Kunst fördert, ist er in Österreich unantastbar. Sie wissen ja, wie das ist in Wien: die heilige Kultur. Jeder neue Operndirektor ist eine Staatsaffäre und ein neuer Vorhang fürs Burgtheater Stadtgespräch. Also schaut man nicht so genau hin, wenn einer ein paar

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