Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
erzählte von Sophie Lechner und Sebastian Groß. Rayko hörte zu und meinte dann: »Blöd, dass der oder die oder wer auch immer den Groß bis zu uns nach Brandenburg gezerrt haben. Aber falls die Mädels und Jungs, die da immer noch rumstochern, das Handy finden, kriegt ihr es. Den Papierkram nehme ich auf mich.«
Sie gingen noch einmal die Reifenspur entlang, die am Graben neben der Straße abriss. Offensichtlich war die Autokiste mit einem Satz über den Graben geflogen und hatte sich davongemacht. Rechts oder links? Polen oder Berlin? Das war die Frage, die nicht zu klären war. Bernhardt und Rayko vereinbarten, die ganze Arie durchzuziehen: Fahndungsaufrufe, Zeugenbefragungen, falls sie überhaupt jemanden fanden, Befragungen von Kollegen, Freunden, Bekannten, Verwandten usw. usw. Sie versprachen, sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten, vor allem würde Bernhardt über seine Befragung von Sebastian Groß berichten.
Als sie an das Windrad zurückkamen, sprangen die Leute mit den Stöcken plötzlich wie kleine Kinder hin und her und lachten. Sie hatten tatsächlich die Stecknadel im Heuhaufen gefunden. Rayko nahm das kleine schwarze Stück vorsichtig in die Hand, als handelte es sich um einen wertvollen Diamanten. Dann gab er es dem gebieterisch die Hand ausstreckenden Fröhlich, der es in eine Plastiktüte steckte.
Drei oder vier Fotografen blitzten wie wild mit ihren Apparaten. Der Reporter von Brandenburg aktuell, den Bernhardt nicht kannte, baute sich auf. Hinter ihm dämmerte das alte Schlachtross von der Berliner Regionalschau auf. Und unvermittelt stand Sina neben Bernhardt.
»Na, willst du mich nicht wie gewohnt begrüßen, die nervende B.-Z.- Blondine?«
»Nee, geht nicht mehr seit dem letzten Mal, die Luft ist raus.«
»Freut mich.«
Sie sah wie das blühende Leben aus, die Wangen waren gerötet, die blauen Augen blitzten, unter der Wollmütze schoben sich ein paar widerspenstige blonde Haarsträhnen hervor.
»Kannst du mir was erzählen?«
»Ach, nichts Besonderes.«
Er erzählte, aber es war ja wirklich nicht viel.
»Mach halt ’ne gute Schlagzeile.«
Sie lachte. »Ja, mit einem schönen Bild: müder Kommissar im Schneetreiben.«
»Aber dann auch ein Bild von dir, wie eine Schneeflocke auf deiner Nase schmilzt.«
»Du überschätzt unsere Druckqualität. Ich muss jetzt schleunigst in die Redaktion, hast du denn heute am Abend Zeit für ’n Bier oder so?«
»Bestimmt nicht. Es gibt so viel zu tun. Wenn der Fall vorbei ist, geben wir uns aber mal richtig die Kante, schlag ich vor, was hältst du davon?«
»Graut mir jetzt schon davor.«
»Heißt: Du freust dich drauf und würdest mitmachen?«
»Genau.«
Sie drehte sich um und winkte Cornelia Karsunke zu.
»Morgen, 19 Uhr, Judo?«
Cornelia zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich nicht. Ich bin immer noch saumäßig erkältet. Und der Chef hier wird mich nicht lassen, befürchte ich. Oder der Babysitter wird mich versetzen – ach, was weiß ich.«
Wenig später saß der »Chef« mit Cornelia und Krebitz im Auto von Cellarius, der sie zu ihrem Büro in der Keithstraße brachte. Bernhardt schloss die Augen und schwieg. Auch die anderen schwiegen. War er eingenickt und erst kurz vor ihrer Ankunft wieder aufgewacht? Jedenfalls hatte er einen trockenen Mund und fühlte sich leicht desorientiert, als er das Büro betrat.
Warm war es hier, eine kleine, stille Insel, auf der Katia Sulimma ihren Tag verbracht hatte, sich beharrlich auf den Spuren Sophie Lechners durch den Dschungel von Blogs und Chats im Internet gearbeitet hatte und dabei ihre Kollegen, die draußen auf einer Expedition durchs sibirische Berlin gewesen waren, nicht vergessen hatte.
»Ihr Armen, jetzt gibt’s erst mal für jeden einen Becher Kaffee, frisch aufgebrüht, und dazu ein großes Stück Rosinenkuchen. Hat meine Oma gemacht.«
Zwei, drei Minuten schlürfte und schmatzte es. Dann war die Mannschaft wieder einsatzbereit. Bernhardt deutete mit dem Zeigefinger auf Katia Sulimma.
»Du zuerst!«
»Klare Ansage, sehr nett. Also, erstens hat der Holzinger ein vorläufiges Gutachten zu Hirschmann geschickt. Alles spricht dafür, schreibt er, dass Hirschmann ohne Fremdeinwirkung verstorben ist. Keine Hinweise auf Gewaltanwendung, keine Verletzungen, keine Einstiche, keine Drogen. Allerdings hatte er ordentlich Alkohol im Blut. Das sei dann sehr schnell gegangen in dem Eisloch, in das er gestiegen ist, meint Holzinger.«
Bernhardt gab sich skeptisch.
»Da
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