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Nach dem Ende

Nach dem Ende

Titel: Nach dem Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alden Bell
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Überall um sie herum zielen Männer mit Schießeisen und anderen Waffen auf sie.
    Alles in Ordnung, sagt der Mann, den sie am Hals gepackt hat. Seine Worte gelten den anderen Insassen. Ich hab sie nur erschreckt. Selber schuld, was muss ich sie auch aus ihren Träumen reißen.
    Lee. Nicht Moses Todd, sondern Lee. Der Jäger. Der Mann, der ihr Schabenfleisch zu essen gegeben hat, Schabenfleisch, gewürzt mit aromatischem Rosmarin. Der Mann, der ihr von den Niagarafällen erzählt hat. Er ist derjenige, der vorher in der Ecke mit dem Stetson auf der Brust geschlafen hat.
    Lee, sagt sie.
    Genau, Schätzchen. Anscheinend wieder mal ein Wunder, das uns hier zusammenbringt.
    Tut mir leid, das mit dem Kinnhaken.
    Er bewegt den Kiefer hin und her und betastet ihn mit den Fingern. Hab schon schlimmere Prügel einstecken müssen. Aber eins steht fest: So schnell weck ich dich nicht mehr auf, wenn du ein Nickerchen machst.
    Der Zug hat an einer Kreuzung in einer Kleinstadt gestoppt, wo sich Wilson und seine Leute nach Überlebenden und Vorräten umschauen wollen. Einer von ihnen, ein Mexikaner namens Popo, schlendert gemächlich herum und nähert sich einzelnen Schaben, als wollte er sie nach dem Weg fragen, bevor er ihnen im letzten Moment das Bolzenschussgerät an den Kopf drückt. Temple und Lee sitzen auf einer Holzbank unter der Markise eines Geschäfts und beobachten das Ganze aus einiger Entfernung. Nach dem zischenden Knall des Druckluftnaglers erstarren die Schaben, als wären sie überrascht, und schwanken ein wenig im Wind, bevor sie zu Boden sacken wie Ballons, aus denen plötzlich die Luft entweicht.
    Was ist aus deinen Freunden geworden?, fragt sie.
    Na ja. Horace ist einer Schabe zu nah gekommen. Hat ihn in den Arm gebissen. Danach ging’s ihm nicht gut. Hat immer drauf gewartet, dass er stirbt oder sich verwandelt. Hat lang durchgehalten, länger, als wir gedacht hätten.
    Was ist mit ihm passiert?
    Weiß ich auch nicht so genau. Clive und ich sind eines Tages aufgewacht, und er war einfach verschwunden. Sein ganzes Zeug war noch da, aber der Mann war weg.
    Bis zum Sonnenuntergang haben wir auf ihn gewartet, aber er ist nicht aufgetaucht. Vielleicht spürt man es, wenn die Veränderung kommt, keine Ahnung. Oder der Tod ist was zum Schämen. Vielleicht wollte er allein sein, wenn es so weit ist.
    Lee zündet sich eine Zigarette an und lehnt sich zurück. Er streckt die Beine und schlägt die Knöchel übereinander.
    Und Clive, na ja, er wollte, dass wir weiterziehen, nur wir zwei. Aber ich hatte den Trapperalltag allmählich satt, wenn du’s genau wissen willst. Hab ihm gesagt, dass ich mal rüber in den Westen will, um zu sehen, was das für eine Gesellschaft in Kalifornien ist, von der ich schon so viel gehört hab. Also haben wir uns getrennt und für Horace ein Schild aufgestellt, unter einem Pfefferbaum, wo niemand dran rumfummelt. Für die Natur ist das unwichtig, aber uns hat es gutgetan.
    Er schnippt die Asche auf den Gehsteig und fährt sich mit dem Handrücken unter der Nase durch.
    Und wie schaut’s bei dir aus? Er weist mit dem Kinn auf Maury, der mit einem Strauß Wildblumen in seiner Pranke auf dem Bordstein hockt. Hast dir anscheinend einen Reisebegleiter ausgesucht.
    Sie erzählt ihm, dass sie nicht lange nach ihrem Abschied von Lee auf Maury gestoßen ist. Wie er seine Granny durch die Straße schleppte, verfolgt von einer ganzen Prozession von Fleischsäcken, die sich schon auf ein Festmahl freuten. Dass sie in seiner Tasche einen Zettel mit seinem Namen und der Adresse seiner Verwandten in Texas gefunden hat und schon die ganze Zeit versucht, ihn dorthin zu schleppen, und dass ihr jedes Mal, wenn sie sich umdreht, was anderes dazwischenkommt und sie davon abhält, ihre Aufgabe zu erfüllen.
    Sie hat einiges erlebt, sagt sie, möchte aber nicht ins Detail gehen. Jedenfalls kann sie so viel verraten, dass sie mitten im Getümmel war.
    Na ja. Er lehnt sich zurück und mustert sie wie ein schlechter Arzt. Du hast ein paar Schrammen und Beulen, aber anscheinend weißt du, wie man sich durchschlägt.
    Stimmt. Am Leben bleiben is nich schwer. Das Schwere is, dass man auf dem richtigen Weg bleibt.
    Was meinst du damit?
    Ich meine damit, dass ich Sachen gemacht hab, über die ich lieber nich reden will.
    Herzchen, jeder lebendige Mensch schleppt eine Sammlung von solchen Sachen mit sich rum.
    Vielleicht, aber es is ein Unterschied, ob da ein paar einzelne Gemeinheiten in dir rumpoltern wie Bohnen in

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