Nach dem Ende
lächelt er sie an, stählt sich mit Geduld.
Zum Beispiel, erklärt er. Ich höre gern Musik. Und ich lese Bücher, und ich schreibe Geschichten, und wir haben auch eine Gitarre, auf der ich manchmal spiele. Also, was machst du gern?
Das meiste, was sie gern macht, hat mit Überleben zu tun, und irgendwie bewegen sich diese Dinge auf einer ganz anderen Ebene als Gitarrespielen. Sie versucht, eine passende Antwort auf seine Frage aus dem Ärmel zu zaubern, aber es gelingt ihr nicht.
Die gleichen Sachen, erwidert sie schließlich. Ich mag die gleichen Sachen.
Wir haben viel gemeinsam, stellt er fest.
Genau. Also, ich muss jetzt wieder los.
In Ordnung. Ohne ihre Hand loszulassen, postiert er sich direkt vor sie. Hat mir großen Spaß gemacht, unser Date.
Klar, mir auch. Danke für die Cola.
Würde mich freuen, wenn wir das bei Gelegenheit wiederholen könnten.
Schön, aber ich bleib nich in Longview. Ich meine, es is nett hier und alles, aber Maury und ich, wir müssen woandershin.
Er wappnet sich innerlich, nimmt die Nachricht wie ein Mann. Ich werde dich nicht vergessen.
Ja, okay.
Er küsst sie, und es fühlt sich seltsam an, wie der Kuss eines Kindes. Sein Mund drückt sich nicht auf ihren, wie er sollte, und als er sich von ihr löst, muss sie sich den Speichel von der Unterlippe wischen. Sie denkt an James Grierson. Seine Küsse schmeckten nach Whiskey, aber sie trafen ins Ziel.
Nachdem sie sich von Dirk verabschiedet hat, führt sie Maury zurück zum Zug, wo Lee schon auf sie wartet.
Wo warst du?, fragt er.
Bei einem Date.
Einem Date? Er wird von einem herzlichen Lachen geschüttelt. Die Kriegerprinzessin der Wüste kann also die Fantasie eines jungen Mannes beflügeln.
Das is nich lustig.
Aber es ist lustig. Sie fällt in sein Lachen ein, und im vergehenden Tageslicht halten sie sich prustend den Bauch.
Wilson hat einen Mann namens Joe dabei, der sich auf das Wort des Lokführers hin bereit erklärt, Temple ein Auto zu leihen, wenn sie verspricht, es auf dem Weg nach Norden zurückzubringen. Er erläutert ihr, dass Point Comfort ein Stück südlich von Houston liegt, je nach Zustand der Straßen ungefähr eine Tagesreise. Auf einem Tisch breitet er eine große Karte aus und fährt die Route mit dem Finger nach. Sie achtet genau auf die Nummern der Highways. Die 259 nach Nacogdoches, dort auf die 59, die sie bis fast ans Ziel bringt. An einem Ort namens Edna muss sie auf der 111 zur 1593.
Willst du dir das nicht lieber aufschreiben?, fragt Joe.
Das passt schon. Ich hab ein gutes Gedächtnis. 259, 59, 111, 1593.
Hier, nimm wenigstens die Karte mit.
Nachdem er die Strecke mit einem gelben Stift eingezeichnet hat, faltet er die Karte sorgfältig zusammen und reicht sie ihr zusammen mit mehreren Sandwiches, die die Frau vom Imbiss zubereitet hat, und Kleidern, die das Begrüßungskomitee der Stadt gebracht hat.
Später am Abend stöbert Lee sie auf einer Bank in der Nähe der Absperrung auf, wo zwei Wachen auf Gartenstühlen sitzen und mit großen Scheinwerfern ein Stück weit hinaus in die Nacht leuchten.
Er lässt sich neben ihr nieder. Wann fährst du los?
Morgen früh. Joe meint, wenn die Straßen gut sind, bin ich bis zum Abend dort.
Mhm. Und diese Leute, bei denen du Maury abliefern willst – wenn die nicht da sind?
Weiß auch nich. Schätze, dann bring ich ihn wieder her oder nach Dallas. Irgendjemand nimmt ihn schon auf.
Und danach?
Sie zuckt die Achseln. Wahrscheinlich zieh ich ein bisschen rum. Schau mir ein paar Sachen an.
Hör mal. Er wendet sich ihr zu. Seh ich das richtig, dass du nicht zusammen mit mir nach Süden fahren willst?
Das siehst du richtig.
Wieso?
Wenn du stirbst, hab ich noch was, was ich mit mir rumschleppen muss.
Temple, ich lebe schon seit Jahren da draußen. Ich sterbe nicht so schnell.
Doch, früher oder später. Und ich möchte nicht, dass du neben mir stehst, wenn es so weit is.
Du bist hart wie Stein, Kleine.
Eigentlich nich.
Ich weiß.
Sie spürt seinen Blick und will ihm nicht begegnen. Sie starrt auf die Straße. Im Asphalt ist etwas, das im Licht der Laternen glitzert.
Und wie wär’s damit?, fährt er fort. Du vergisst Point Comfort und kommst mit mir nach Kalifornien. Wir nehmen den Zug nach Dallas, und von dort aus fahren wir nach Westen – wir drei. Angeblich haben sie dort ganze Städte abgesichert. Da kann man eine Stunde lang geradeaus marschieren, ohne dass man auf eine Absperrung stößt. Wie in einer richtigen
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