Nach Dem Sommer
Butterplätzchen in den Regalen fügten noch einen mehligen, beruhigenden Duft hinzu und die Lutscher ein Gewirr von Fruchtgerüchen, das zu intensiv war, um natürlich zu sein. Das salzige Aroma von Brezeln, klarer Zitronenduft, ein milder Hauch von Anis. Gerüche, für die ich noch nicht einmal Namen hatte. Ich stöhnte.
Sam belohnte mich mit einem federleichten Kuss an mein Ohr, bevor er hineinmurmelte: »Ist das nicht unglaublich?«
Ich öffnete die Augen; die Farben wirkten blass im Vergleich mit dem, was ich gerade erlebt hatte. Mir fiel einfach nichts ein, das nicht total pathetisch geklungen hätte, also nickte ich bloß. Er küsste mich noch einmal, auf die Wange, und sah mir ins Gesicht. Sein Blick erhellte sich vor Freude über das, was immer er auch darin sah. Da kam mir der Gedanke, dass er diesen Ort, dieses Erlebnis vielleicht noch nie mit jemandem geteilt hatte, mit niemandem. Nur mit mir.
»Es ist wundervoll«, sagte ich schließlich so leise, dass ich noch nicht einmal sicher war, ob er es hören konnte. Aber natürlich konnte er das. Er konnte alles hören, was ich hörte.
Ich war mir nicht sicher, ob ich bereit war, mir einzugestehen, dass ich tatsächlich nicht normal war.
Sam ließ mich los, bis auf meine Hand, und zog mich weiter in den Laden hinein. »Komm. Jetzt wird's schwierig. Such dir was aus. Was willst du haben? Such dir was aus. Irgendwas. Ich kaufe es dir.«
Ich will dich. Ich fühlte seine Hand in meiner, wie seine Haut sich an meiner rieb, ich sah, wie er vor mir herlief, zu gleichen Teilen Mensch und Wolf, und ich dachte an seinen Geruch - ich sehnte mich so sehr danach, ihn zu küssen, dass es wehtat.
Sam drückte meine Hand, als könnte er meine Gedanken lesen, und führte mich zu der Süßigkeitentheke. Ich starrte auf die Reihen von perfekten Pralinen, Gebäckteilchen, überzogenen Brezeln und Trüffeln.
»Ganz schön kalt da draußen, was?«, fragte das Mädchen hinter der Theke. »Es soll ja noch schneien. Ich kann's kaum erwarten.« Sie sah auf und schenkte uns ein amüsiertes Lächeln, und ich fragte mich, wie albern wir wohl aussahen, wie wir hier so glücklich Händchen haltend durch den Laden schlenderten und uns wie Kinder über Schokolade freuten.
»Was schmeckt denn am besten?«
Das Mädchen zeigte, ohne zu zögern, auf ein paar Regale mit Schokolade. Sam schüttelte den Kopf. »Könnten wir zwei Becher heiße Schokolade bekommen?«
»Mit Sahne?«
»Was für eine Frage!«
Sie grinste, drehte uns den Rücken zu und öffnete die Dose mit dem Kakao; eine Schokoladenwolke quoll über den Tresen. Als sie begann, Pfefferminzöl auf den Boden der Pappbecher zu tröpfeln, wandte ich mich Sam zu und griff nach seiner anderen Hand. Dann stellte ich mich auf die Zehenspitzen und stahl einen zarten Kuss von seinen Lippen. »Überraschungsangriff«, verkündete ich.
Sam beugte sich herunter und küsste mich zurück, sein Mund lag auf meinem, seine Zähne nagten an meiner Unterlippe, ein Schauer überlief mich. »Selber Überraschungsangriff.«
»Feigling«, sagte ich, und meine Stimme klang rauer, als ich beabsichtigt hatte.
»Ihr zwei seid echt so süß«, sagte das Mädchen und stellte zwei Becher mit Riesensahnehaube auf den Tresen. Sie hatte ein irgendwie schiefes, offenes Lächeln, an dem ich zu erkennen glaubte, dass sie oft lachte. »Im Ernst, wie lange seid ihr schon zusammen?«
Sam ließ meine Hände los, um sein Portemonnaie aus der Tasche zu holen, und nahm ein paar Scheine heraus. »Sechs Jahre.«
Ich zog die Nase kraus, um ein Lachen zu unterdrücken. Klar, dass er die Jahre mitzählte, in denen wir zwei vollkommen verschiedenen Spezies angehört hatten.
»Wow!« Das Thekenmädchen nickte anerkennend. »Das ist aber ganz schön lange für ein Pärchen in eurem Alter.«
Sam reichte mir eine heiße Schokolade und antwortete nicht. Doch seine gelben Augen streiften mich besitzergreifend - ich fragte mich, ob er sich wohl dessen bewusst war, dass dieser Blick ein ganzes Stück intimer war, als wenn wir öffentlich rumgefummelt hätten.
Ich hockte mich hin, um die Mandelsplitterschokolade im untersten Fach der Theke zu betrachten. Ich hatte nicht den Mut, einen der beiden anzusehen, als ich gestand: »Tja, es war Liebe auf den ersten Blick.«
»Willst du was davon, Grace?« Sams Stimme klang belegt.
Irgendetwas in seiner Stimme, eine winzige Nuance, sagte mir, dass meine Worte eine größere Wirkung gehabt hatten, als ich erwartet hätte. Ich
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